Geld oder Gott, Götzendienst oder Glaube! -
Gedanken zum Reformationsfest 2013
Von Hans-Jürgen Volk
Jesus spricht: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er
wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird
an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht
Gott dienen und dem Mammon.
Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen
und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr
anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung
und der Leib mehr als die Kleidung?
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit,
so wird euch dies alles zufallen!“
Matthäus 6,24.25.33
Als Jesus diese Worte sprach, waren die Lebensverhältnisse der Menschen in jener Region um Judäa und Galiläa alles andere als komfortabel. Seit einigen Jahrzehnten war das Land von den Römern in Besitz genommen. Erfolgreich waren sie bemüht, möglichst großen Gewinn aus der Provinz im Osten ihres Reiches zu ziehen. Eine effiziente Verwaltung und ein gut funktionierender Militärapparat waren die Grundlage dieses Unternehmens. Das Leid der Menschen kümmerte Personen wie den bekannten römischen Statthalter Pontius Pilatus wenig. Sein Kompass waren Geld und Macht, sein Streben galt dem wirtschaftlichen und militärischen Erfolg. Die Bewohner seiner Provinz waren für ihn bloße Objekte, deren Wert sich nach der Nützlichkeit im Blick auf seine Anliegen bemaß.
Nimmt man diesen Zusammenhang wahr, wird deutlich: Jesus setzt hier einen starken Kontrapunkt gegen die Lebensmaxime der damals Mächtigen und ihrer Kollaborateure. Er entlarvt sie als Götzendienst. Zugleich will er die stärken, die dem planvollen Vorgehen dieser Leute scheinbar hilflos ausgeliefert sind. Die einfachen Menschen in Judäa und Galiläa wussten oft nicht, wie sie den nächsten Tag überstehen und ihre Kinder satt bekommen sollten. Nie wären sie auf die Idee gekommen, ihr Leben bis ins hohe Alter zu planen und abzusichern, dies wäre sinnlos gewesen. Jesus sagt ihnen: „Grämt euch nicht, sondern strebt nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit. Was ihr zum Leben braucht, wird euch dann geschenkt.“
Machen wir einen Zeitsprung: Als die Thesen Martin Luthers im Jahr 1517 Verbreitung fanden, war es die Kirche, deren führende Exponenten sich in großen Teilen dem Götzendienst des Strebens nach Macht und Geld hingaben. Luthers Aufbegehren war auch ein Aufbegehren gegen die Ökonomisierung der Kirche, die den Glauben der einfachen Menschen gewinnträchtig instrumentalisierte. Die Kirche war damals mit all ihrem zur Schau gestellten Prunk und ihren die frommen Massen mobilisierenden „Leuchtturmprojekten“ chronisch unterfinanziert. Außerdem erfreute sich der gehobene Klerus eines luxuriösen Lebensstils. Also machten sich die „Fundraiser“ der damaligen Zeit auf die Socken, entwickelten ein diffiziles Systems des Verkaufs kirchlicher Ämter, erfanden Gebühren für alles Mögliche und Unmögliche und ersannen vor allem die „geniale“ Geschäftsidee des Ablasshandels, gegen den sich der Protest Luthers zunächst richtete. Sein „sola fide“ - allein der Glaube - geht auch gegen die Vorstellung, man könne durch das „gute Werk“ des Ankaufs von Ablassbriefen die Seligkeit für sich oder andere erwerben. Im Gegensatz zu der Auffassung der Ablasshändler und ihrer Auftraggeber ist das Evangelium kein „Produkt“, das sich vermarkten lässt. Geld oder Gott, Götzendienst oder Glaube, diese scharfe Alternative hatte Jesus aufgestellt, an die Luther nun anknüpft.
Und unsere evangelische Kirche?
Da kippt so einiges. Eine Kirche, die sich mit ihrer äußeren Gestalt von Finanzgrößen leiten und in ihren Entscheidungen vom Fluss des Geldes bestimmen lässt, ist auf dem Weg eine Kirche der Unfreiheit zu werden. Dass kirchliche Verwaltungen immer mehr Geld verschlingen und ihre angebliche Effizienz diese Opfer wert sein soll, ist ein Beleg dafür. Eine Verwaltung ist bei zunehmender Zentralisierung immer auch ein Machtinstrument. Gewiss, es gibt Gott Lob viele in unserer Kirche, für die Glaube, Hoffnung und Liebe entscheidend sind. Wer allerdings Macht, Geld und Erfolg zum Kompass seiner Handlungen macht, ist mentalitätsmäßig nicht weit entfernt von einem Pontius Pilatus oder den Päpsten der Renaissance.
Jesus entlarvt den Götzendienst und stärkt zugleich und vor allem die, die unter den Folgen dieses Götzendienstes leiden müssen. „Grämt euch nicht!“ sagt er, „Trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere geschenkt!“ Jesus macht Mut, die Herrschaft des Geldes durch eine friedliche Revolution der Liebe abzuschütteln.
Gott selbst hat in Jesus Christus den Grund dafür gelegt, am Kreuz von Golgatha, dem nur scheinbaren Triumph der Mächtigen, auf den der Sieg des Lebens folgte.
Es geht darum, jenseits der eigenen Sorgen die Menschen neben sich wahrzunehmen und solidarisch zu leben. Die Herren der Welt, die sich auch heute wieder die Kirche zu eigen machen wollen, verstehen dies nicht. Sie orientieren sich an der eigenen medialen Bedeutsamkeit, entwickeln erfolgsorientiert Kommunikationsstrategien, die die Wahrheit verdunkeln und empfehlen den Menschen Selbstoptimierung durch funktionale Fortbildung, um am Markt zu bestehen.
Die neue Werkgerechtigkeit!
Was trägt, ist der Glaube!
Der Glaube an den Gott, der die Liebe ist, der Mensch wird um Menschen Würde zuzusprechen, Annahme und Vergebung;
denen, die am Rande stehen, die sich sorgen und grämen um den Arbeitsplatz und ihren Platz im Leben.
Was wirklich hilft ist das Vertrauen zu Gott, der für mich sorgt und um mich weiß.
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere geschenkt.“ Mit diesem Satz will Jesus besorgten Menschen Mut machen; Mut, solidarisch zu leben im Vertrauen auf Gott, die mit uns auf dem Weg ist. Mit seinem Wort zeigt Jesus auch der Kirche den Weg.