Chance für Korrekturen
Landessynode 2013 fällt wichtige Personalentscheidungen
Von Hans-Jürgen Volk
Standen bei den letzten beiden Landessynoden der Evangelischen Kirche im Rheinland inhaltliche Fragen wie Personalplanung, Neues Kirchliches Finanzwesen oder eine Verwaltungsstrukturreform im Mittelpunkt, so wird die Landessynode 2013 vor allem auf Grund von wichtigen Personalentscheidungen Beachtung finden. Einige Positionen der Kirchenleitung sind neu zu besetzen, darunter die des Präses. Allein das Ausscheiden von Nikolaus Schneider, der dieses Amt bisher bekleidete, dürfte eine Zäsur für die rheinische Kirche darstellen. Außerdem wird ein/e Nachfolger/in für den ausscheiden Vizepräsidenten Christian Drägert gesucht. Offen ist auch die Frage, was mit der wichtigen Funktion des Finanzdezernenten der rheinischen Kirche geschehen soll.
Respektable Kandidaten/innen
Drei respektable Persönlichkeiten wurden als Kandidat/innen für das Amt des Präses nominiert: Petra Bosse-Huber, Manfred Rekowski und Dr. Ellen Ueberschär.
Bosse-Huber wird seid langem das Präsesamt zugetraut. Abteilungsleiterin im Landeskirchenamt ist sie seit 2001, Vizepräses seit 2003. Besondere Schwerpunkte hat sie bei der Seelsorge und insbesondere bei der Notfallseelsorge, aber auch z.B. im christlich-jüdischen Dialog gesetzt. Sie ist vielfältig, auch auf EKD-Ebene, engagiert. Unter anderem ist sie Mitglied der EKD-Kammer für Theologie, Mitglied der Steuerungsgruppe des EKD-Reformprozesses „Kirche im Aufbruch“ sowie Mitglied des Beirats für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr. Man kann davon ausgehen, dass Petra Bosse-Huber der Ev. Kirche im Rheinland gegenüber der EKD auch in Zukunft Gewicht verleihen würde.
Prägend für Manfred Rekowski ist seine langjährige Erfahrung als Superintendent. Bereits 1993 wurde der heute 54-jährige Superintendent des Kirchenkreises Barmen. Nach der Fusion der beiden Kirchenkreise Elberfeld und Barmen leitete er bis 2011 den neuen Kirchenkreis Wuppertal. Von 2001 bis 2007 gehörte Rekowski der Kirchenleitung als nebenamtliches Mitglied an, 2011 wurde er zum Oberkirchenrat gewählt. Respekt verschaffte sich Rekowski durch seine konstruktive, dialogfähige und lösungsorientierte Art während des nicht ganz einfachen Fusionsprozesses der beiden Wuppertaler Kirchenkreise. Zudem kommt er aus einer strukturschwachen Region unserer Landeskirche, was ihm eine besondere Kompetenz im Blick auf Herausforderungen bei Finanz- und Strukturfragen verleiht.
Ein Novum für die rheinische Kirche ist die externe Bewerbung von Dr. Ellen Ueberschär. Die gebürtige Ostberlinerin hat ihre Wurzeln in der Jugendarbeit der Kirche von Berlin-Brandenburg. Bekannt wurde die 44-jährige durch ihre Funktion als Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Die profilierte Theologin geht mit Außenseiterchancen ins Rennen.
(Weitere Informationen zu den Personen auf http://www.ekir.de/www/service/praeseskandidaten-15854.php.)
Was braucht unsere Kirche?
Diese Frage werden die Mitglieder der Landessynode im Januar 2013 nicht nur bei den anstehenden Personalentscheidungen beantworten müssen. Die Wahlen werden eine an zentralen Postionen veränderte Kirchenleitung zum Ergebnis haben. Dies bietet die Chance, notwendige Korrekturen beim innerkirchlichen Reformprozess vorzunehmen und neue Impulse zu setzen, die den Herausforderungen unserer Zeit entsprechen.
Auf formale Qualifikation zu achten, hat sicher sein Recht. Hier können alle drei Bewerber/innen eindrucksvolle Stärken in die Waagschale werfen. Wichtiger noch sind andere Eigenschaften, die in der Vergangenheit zu selten bemerkbar waren.
Es ist schon seltsam, dass das Führungspersonal einer Kirche, die das öffentliche Schuldbekenntnis durchaus wirkungsvoll praktizieren kann, sich so schwer tut mit dem Einräumen von Fehlern und Fehlentscheidungen. Nötig wäre ein wacher, schonungsloser Blick auf die Realität unserer Kirche.
Dass es krisenhafte Symptome in unserer Kirche gibt, dokumentiert das Ergebnis der Presbyteriumswahlen vom Februar 2012. Noch immer liegen keine offiziellen Zahlen über die Wahlbeteiligung vor. In weniger als der Hälfte aller Gemeinden kam überhaupt eine Wahl zustande, die Wahlbeteiligung sank auf etwas über 10%. Bis heute gibt es Presbyterien, die nicht vollständig besetzt sind. Dass es hierfür vielfältige Ursachen gibt, ist unbestritten. Kaum zu leugnen ist allerdings auch, dass tendenziell weniger Menschen bereit sind, sich für diese Kirche in leitender Funktion zu engagieren. Es gibt eine Entfremdung zwischen Basis und landeskirchlicher Leitungsebene.
Diese hat in der Vergangenheit einer betriebswirtschaftlichen Logik Raum gegeben, die Theologie und Glauben als handlungsleitende Elemente in den Hintergrund drängte. Wer „A“ sagt, sollte allerdings auch den Mut haben, sich „B“ zu stellen. Wo bitte gibt es relevante „Kennzahlen“, die in der Ev. Kirche im Rheinland den „Erfolg“ des seit Jahren vorangetrieben Reformprojekts belegen? Die Mitgliederzahl geht stetig zurück, ebenso sinkt die Teilnahme an den Gottesdiensten auf niedrigstem Niveau, die Bilanz zwischen Ein- und Austritten ist deutlich negativ, auch ist die „Taufquote“ keineswegs gesteigert worden. „Wachsen gegen den Trend“ findet bestenfalls in einzelnen Gemeinden statt, bezogen auf die Landeskirche ist das Gegenteil der Fall. Wo bleibt der „Erfolg“?
Wichtige Reformmaßnahmen wurden mit dem Argument zurückgehender Finanzmittel begründet. Man wollte effizienter und zielgenauer mit knapper werdenden Mitteln umgehen und hierfür die strukturellen Voraussetzungen schaffen. Bei der NKF-Einführung ist dieses Ziel bisher am deutlichsten verfehlt worden. Es ist eine seltsame Logik, zunächst heftig Geld auszugeben, um irgendwann später unter günstigen Umständen zu Einsparungen zu gelangen. Der Kostenaufwuchs bei NKF erinnert an die Entwicklung bei bekannten Großbaustellen wie Stuttgart 21 oder dem neuen Berliner Flughafen. Weder die Neustrukturierung der Rechnungsprüfung noch erste Umsetzungen der Verwaltungsstrukturreform haben zu nennenswerten Kostenreduzierungen geführt, auch hier verkehrt sich die ursprüngliche Verheißung in ihr Gegenteil.
Dies sind nur wenige Elemente einer merkwürdig deformierten Reformlandschaft, die in Vielem an einen halbfertigen, ziemlich gruseligen Märchenpark erinnert. Neben einer theologisch kaum domestizierten betriebswirtschaftlichen Methodik, waren es vor allem finanzpolitische Übertreibungen, die unsere Kirche in der Vergangenheit auf Abwege führte. Spätestens durch die mit dem EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ im Jahr 2006 kampagnenartig vorgetragene „Einfache Formel“, nach der unsere Kirche im Jahr 2030 nur noch über die Hälfte ihrer damaligen Finanzkraft verfügen solle, war ein rationaler Umgang der Kirche mit ihrem Geld kaum noch möglich. Es gab tatsächlich im Blick auf die prognostizierte fiskalische Apokalypse Einsparungen in erheblichem Umfang. Diese erfolgten jedoch ganz überwiegend zu Lasten der Beschäftigten bzw. des theologischen Nachwuchses. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft, dass in der rheinischen Kirche wieder rational über Geld geredet und mit Geld umgegangen wird. Mythen und Kampagnen, die ein Wissen vortäuschen, dass niemand haben kann und die monokausal dem demographischen Wandel entscheidenden Einfluss auf die Finanzkraft unserer Kirche beimessen, gehören ins Archiv.
Wir brauchen Menschen in kirchenleitender Funktion, wie wahrnehmungs- und dialogfähig sind und die Vertrauen zurückgewinnen. Wir brauchen Menschen, die das Primat der Theologie auch und gerade bei Strukturfragen wieder durchsetzen.
Wir brauchen mehr authentische Reformation und weniger an säkularen Modellen orientierte Reformimitate.
Es ist Ellen Ueberschär gewesen, die das, was unsere Kirche braucht, in einer lesenswerten Tischrede zu einem Frauenmahl treffend und mit einer bewegenden sprachlichen Ästhetik formuliert hat. Hier einige Auszüge:
„Wenn wir … überlegen,
wie wir die Zukunft gestalten wollen,
dann sind das Wichtigste – die Menschen ….“
„Und ich stelle mir vor,
dass auch für die Zukunft
der Kirche Menschen wichtiger sind als Strukturen.“
„Und – wir sind ja hier in der Reformationsdekade, deswegen mit Luther gesagt:
Gott ist wie ein glühender Backofen voll Liebe und
Ostermenschen wissen auch,
wo Gott ist und wieder Luther zitiert:
Siehe!
er steht hinter der Wand und sieht durch die Fenster.
Das ist soviel wie:
Unter den Leiden, die uns gleich von ihm scheiden wie eine Wand,
ja eine Mauer,
steht er verborgen und sieht doch auf mich und lässt mich nicht.“
Unter den Leiden ist Gott verborgen –
und wenn Kirche in Zukunft SEIN will,
dann braucht sie Ostermenschen,
die dort hinschauen.
die nicht auf die eigenen Leiden der schwindenden Finanzen und der Alterung schauen,
sondern auf die Leiden Gottes,
denn dort ist die Zukunft verborgen,
weil dort die Glaubwürdigkeit verborgen liegt.
Nicht die brandneuen missionarischen Strategien,
nicht die Leuchtturmprojekte mit Blattgold am Altar,
sichern die Zukunft,
sondern Weihnachtschristinnen und Ostermenschen,
die für die Glaubwürdigkeit von Kirche einstehen,
bei denen Reden und Handeln,
Beten und Tun übereinklingen.
Nur wenn Weihnachtschristinnen und Ostermenschen in der Kirche ein Zuhause haben,
dann ist Zukunft möglich.
Also möchte ich dreifach rufen:
Kirche, schau auf die Menschen, die bei Dir sind.
Gib denen Raum,
die den Glanz Gottes in der Welt sehen.
Lass die entscheiden über Geld und Personal,
die aus der Versöhnung leben.
Kirche, lass das Profil und kümmer Dich um Tiefenschärfe
Gib denen das Heft,
die uns in diese Tiefe führen können,
denn dort unten ist Christus verborgen.“
(Der gesamte Text siehe:
http://www.frauenmahl.de/tischreden_voten/Tischreden/tr_ueberschaer.php?liste=1031)