Erklärung des Vorstandes des Evangelischen Pfarrvereins im Rheinland

zu den Vorschlägen der Kirchenleitung zur Haushaltskonsolidierung

Moderne, komplexe Gesellschaften fordern von den Akteuren ständig Entscheidungen, deren Tragweite und Folgekosten nicht realistisch vorhergesagt werden können. Umso wichtiger ist es, dass die Verantwortung gepflegt wird, Entscheidungen zu korrigieren, wenn sich gravierende Folgen ergeben, die nicht bedacht wurden oder gar nicht vermutet werden konnten.

Wenn in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) wie aktuell zu beobachten, die Entscheidungen für ein neues kirchliches Finanzwesen (NKF) und eine Verwaltungsstruktur-Reform Folgen zeitigen, die die Entscheidungsträger  nicht bedacht haben oder nicht voraussehen konnten, dann müssen diese Entscheidungen überdacht und die eingeleiteten Prozesse korrigiert oder gar eingestellt werden.
Es kann nicht sein,

  • dass eine auf Qualitätssicherung zielende Verwaltungsreform die Aufwendungen für Verwaltung so heftig steigert, dass dadurch die Qualität der inhaltlichen Arbeit für Menschen erheblichst geschwächt wird,
     
  • dass eine der Sorge um die Menschen verpflichtete und deshalb als Körperschaft öffentlichen Rechts hoch geachtete Institution wie die EKiR ihr Personal von Seelsorge und Begleitung auf Verwaltung umschichtet,
     
  • dass eine von der Basis her arbeitende Gemeinschaft wie die Evangelische Kirche diese Basis durch Leitungsentscheidungen entmachtet und damit viele Kolleginnen und Kollegen, Schwestern und Brüder entmutigt werden,
     
  • dass eine christliche Gemeinschaft sich mehr von der „Sorge um morgen“ leiten lässt als von den Aufgaben der Gegenwart,
     
  • dass eine sich auf die Reformation berufende Kirche keine Kosten scheut, wenn es um Verwaltung geht, gleichzeitig aber inhaltlich-theologische Arbeit bespart und ihre öffentlich wirksamen  Bildungseinrichtungen streicht und schwächt (ganz abgesehen von der Frage, wie die gesparten Gelder denn angelegt, d.h. die Vermögenswerte erhalten werden sollen!),
     
  • dass eine ecclesia semper reformanda ihre gegenwärtig nötigen Anpassungs- und Veränderungsprozesse auf die Aspekte von Verwaltung und Betriebswirtschaft reduziert und die Probleme auf dieser Ebene meint lösen zu können.

Es sind in der Vergangenheit viele Gespräche geführt worden in Kommissionen und Ausschüssen, in öffentlichen Anhörungen und Diskussionen. Zur Verteidigung aller längst getroffenen und zukünftigen Entscheidungen hat sich der Begriff „Sachzwang“ eingebürgert.

Wir protestieren gegen alle Maßnahmen, die solche Sachzwänge verteidigen oder gar verstärken. Wir tun uns sehr schwer damit, uns in unserem Dienst, zu dem wir ordiniert worden sind, der uns Herzenssache ist, solchen „Sachzwängen“ zu unterwerfen und kommen dabei zunehmend in Gewissenskonflikt, uns ihnen verweigern zu müssen.

Wir fordern

  • ein grundsätzliches Überdenken aller Maßnahmen zum NKF und zur Regionalisierung gemeindlicher Arbeit,
     
  • eine ausführliche Reflexion und öffentliche Diskussion über die durch die Umsetzung der „Reformen“ bereits eingetretenen Folgen,
     
  • die Offenlegung der Kosten, die das NKF und die Verwaltungsstrukturreform bisher verursacht haben und voraussichtlich in Zukunft im Dauerbetrieb verursachen werden,
     
  • den Erhalt und die Pflege der verbliebenen gesamtkirchlichen Bildungseinrichtungen der EKiR,
     
  • die Beteiligung der Kirchengemeinden an der Gestaltung und Erhaltung der Schulen, der Akademie, der Kirchliche Hochschule Wuppertal und aller gesamtkirchlichen Bildungsstätten,
     
  • die Offenlegung der Kosten der Personalverwaltung (von Maßnahmen wie dem Auswahlverfahren bis hin zu "Perseus") für Softwareprogramme und für die Hilfe von externen Unternehmensberatungsfirmen,
     
  • ein intensives Bemühen, in allen Bereichen der Verwaltung zu sparen.

Das derzeit erfreulicherweise noch über den Prognosen liegende Kirchensteueraufkommen in der Evangelischen Kirche im Rheinland erlaubt es unseres Erachtens, hinsichtlich des strukturellen Defizits notwendigerweise zu treffender Entscheidungen doch noch ein Moratorium einzulegen, um irreversible Negativfolgen zu verhindern.

Der Vorstand des Evangelischen
Pfarrvereins im Rheinland
im Auftrag der
Mitgliederversammlung vom
3.11.2014 in Bonn

 

 

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