Auf der Suche nach einem gerechten Frieden

Landessynode der EKiR positioniert sich zum Russland-Ukraine-Krieg

Von Hans-Jürgen Volk

„Als Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens sind wir überzeugt, dass gewaltfreie Konfliktlösungen immer die Priorität vor militärischen Lösungen haben müssen. Frieden wird letztlich durch Verhandlungen erzielt werden, die dem Völkerrecht wieder Geltung verschaffen.“

Die Ev. Kirche im Rheinland hat sich mit einem ausgewogenen friedensethischen Wort zum Russland-Ukraine Krieg positioniert. Gewaltfreie Konfliktlösungen haben stets Priorität vor militärischen Lösungen, so die EKiR. Zugleich soll durch Verhandlungen dem Völkerrecht wieder Geltung verschafft werden. Immerhin erkennt man, dass das Völkerrecht die Grundlage für eine Friedenslösung sein muss, die man als gerecht bezeichnen kann. Aber wie gelangt man zu diesem „gerechten Frieden“?

Es gab kirchliche Verlautbarungen, die eine Wirkung im realpolitischen Raum erzielten. An erster Stelle sei hier die Ostdenkschrift der EKD erwähnt. Kann man dies von dem friedensethischen Wort der EKiR erwarten? Wohl kaum. Wie will man mit einer Priorisierung gewaltfreier Konfliktlösungen einem brutalen militärischen Angriff begegnen? Wie sehen die Chancen aus, ohne ein starkes militärisches Gegengewicht dem Völkerrecht wieder Geltung zu verschaffen?

Positionen und Ziele des Putin Regimes

Es ist zu begrüßen, dass das Papier mit großer Eindeutigkeit den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt und das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung betont. Ebenso wird die äußerst fragwürdige Haltung der russisch-orthodoxen Kirche thematisiert: „Wir verurteilen die fortgesetzte Instrumentalisierung und den Missbrauch der Religion durch das Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche als Gotteslästerung und lehnen jede Form einer theologischen Rechtfertigung dieses Angriffskrieges ab.“ Allerdings ist die Politik des Putin Regimes zutiefst von einem national-religiösen Pathos durchdrungen. Im vergangenen Jahr am Jahrestag der Annektion der Krim zitiert Putin z.B. Johannes 15,13: „Niemand hat größere Liebe als der, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ Diesen Satz Jesu bezieht Putin auf die Opferbereitschaft der russischen Soldaten, die die Ukraine mit Schrecken und Tod überziehen. Damit nähert er sich den Positionen „Deutscher Christen“ an, die den Opfertod Jesu am Kreuz als vorbildlich für den deutschen Soldaten propagierten, dass eigene Leben für Führer und Vaterland zu opfern. An den ursprünglichen Kriegszielen, die Ukraine zu „entmilitarisieren und zu entnazifizieren“, wird bis heute festgehalten. Im Essay von Mitte 2021 sowie in seiner Begründung der russischen Invasion in die Ukraine vom Februar 2022 betont Putin: „Russen und Ukrainer sind ein Volk.“ Er bestreitet der Ukraine ein Recht auf Eigenstaatlichkeit und Souveränität und spricht von der Trinität von Russland, Weißrussland und der Ukraine als Teil der „Russki Mir“, also des russischen Einflussbereichs, der überall dort zum Tragen kommt, wo russische Menschen leben und russisch gesprochen wird. Friedensverhandlungen wurden zwar angeboten. Allerdings nur, wenn die Ukraine und der Westen die Realitäten anerkennen. Die Freigabe der annektierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sowie der Krim ist aus russischer Sicht nicht verhandelbar.

Es ist bedrückend, von welcher die Unkenntnis manche Stellungnahmen zum Krieg in der Ukraine im Blick auf die russische Geschichte sowie der bis in die Gegenwart reichenden Denkweisen geprägt sind. Wer Diplomatie erfolgreich gestalten will, sollte sich eingehend mit der Denkweise und der Ideologie seines Gegenübers beschäftigen. Die Zeitschrift „Osteuropa“ ist hier eine hervorragende Quelle. Ihre Internetseite enthält eine sehr gute Suchfunktion z.B. zu Reden und Texten Putins sowie anderer einflussreicher Persönlichkeiten der russischen Föderation.

Erkennbar ist jedenfalls, dass die russische Föderation sich weniger militärisch bedroht gefühlt hat und somit der Überfall auf die Ukraine eine defensive Maßnahme gewesen sei. Die Ukraine hatte nie die Absicht, das Gebiet der russischen Föderation anzugreifen. Wohl gab und gibt es das Ziel, Donezk und Luhansk wieder vollständig der Ukraine einzugliedern, also die Integrität des völkerrechtlich legitimen ukrainischen Staatsgebietes wieder herzustellen. Vielmehr ist eine nach Europa orientierte, demokratisch verfasste Ukraine eine echte Bedrohung für das Machtgefüge und die heutige Verfassung der russischen Föderation. Das Gleiche hätte für Weißrussland gegolten, wenn sich Lukaschenko nicht durch massive Wahlfälschung, Repression mit Unterstützung Russlands an der Macht gehalten hätte.

Fragwürdige Standpunkte

In der Diskussion zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es Standpunkte, die fragwürdig sind und die auch den rheinischen Diskurs mitunter prägen.

Kriege enden stets mit Verhandlungen.

Dies ist wohl eher die Ausnahme. Der 30-jährige Krieg endete tatsächlich mit dem Westfälischen Frieden. Dieses Vertragswerk wurde von allen beteiligten Kriegsparteien ausgehandelt. Erst nach Vertragsunterzeichnung schwiegen die Waffen. Spätestens nach der Schlacht von Waterloo waren die Fähigkeiten Napoleons zu militärischen Aktionen erschöpft. Da gab es nichts mehr zu verhandeln. Auf den Krieg folgte der Wiener Kongress, bei dem die alten Monarchien eine restaurative Friedensordnung aushandelten. Am Ende des ersten Weltkriegs bat Deutschland um einen Waffenstillstand, was faktisch einer Kapitulation gleichkam. Der Versailler Vertrag wurde von den Siegermächten ausgehandelt. Das Ende des 2. Weltkriegs wurde durch die bedingungslose Kapitulation Deutschlands besiegelt. Niemand wäre 1944 oder 1945 auf die Idee gekommen, mit NS-Deutschland Friedensverhandlungen zu führen, wozu die NS-Führung eh nicht bereit gewesen wäre.

Gegen eine Atommacht kann man keinen Krieg gewinnen.

Auch dies ist falsch. Die USA haben den Vietnam-Krieg keineswegs gewonnen. Durchgesetzt haben sich vielmehr der Vietkong und die Nordvietnamesen. Die UDSSR hat sich in Afghanistan eine blutige Nase geholt und musste sich zurückziehen, ähnlich wie Jahrzehnte später die NATO-Truppen.

Waffenlieferungen an die Ukraine verlängern den Krieg und damit das Leid der Menschen.

Zu Beginn der russischen Invasion wurde diese Position vorrangig von Personen vertreten, die der Ansicht waren, dass die ukrainischen Streitkräfte unmöglich längere Zeit der russischen Übermacht würden standhalten können. Ein russisches Besatzungsregime würde weniger Leid für die Menschen bedeuten als ein Krieg, der sich in die Länge zieht. Nachdem deutlich wurde, in welchem Ausmaß russische Streitkräfte Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in den besetzten und dann befreiten Gebieten begangen haben, ist diese Position doch recht zweifelhaft. Auf Grund des Widerstandswillens der ukrainischen Bevölkerung und der hohen Motivation der ukrainischen Streitkräfte kann sogar das Gegenteil der Fall sein. Eine zu zögerliche Haltung von Waffenlieferungen oder gar die Verweigerung militärischer Unterstützung kann von dem Putin-Regime als Ermutigung aufgefasst werden und damit Krieg, Leid und massenhaftes Sterben verlängern.

 

Seit einiger Zeit hat die EKD die Lehre vom „gerechten Krieg“ durch eine Theologie des „gerechten Friedens“ ersetzt. Ziel sollte ein gerechter Frieden sein, der die territoriale Integrität und die Souveränität der Ukraine sichert, den berechtigten Ansprüchen von Minoritäten gerecht wird – gedacht ist an ethnische Russen vor allem in der Donbas-Region oder an die Krim-Tartaren – und die die Sicherheitsinteressen der Konfliktparteien berücksichtigt. Es wird Verhandlungen gebe müssen, die diesen Zielen gerecht werden. Und dies wird ein langer, mühsamer Weg. Bereits jetzt sollten alle möglichen diplomatischen Kanäle genutzt werden, um im Gespräch zu bleiben. An kleinere Fortschritte wie den mehrfachen Austausch von Gefangenen oder Abkommen über Getreidelieferungen kann man anknüpfen.

 

 

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