Jugendarbeit als Luxus?

Es sollte um die Menschen gehen! - bittere Zeilen zum Abschied
Von Horst Pitsch


Horst Pitsch war über 30 Jahre Jugendreferent und geht in Kürze in den Ruhestand. Wir zitieren mit seinem Einverständnis aus seinem Abschiedsbrief, den er kürzlich an etliche Weggefährten verschickt hat. Die Situation in seinem Kirchenkreis dürfte exemplarisch sein - zumindest für strukturschwache Regionen in der Ev. Kirche im Rheinland. Bleibt zu hoffen, dass seine Wortmeldung anderen, die sich noch im aktiven Dienst befinden, Mut macht, sich einzubringen und sich offenkundigen Fehlentwicklungen entgegenzustellen.


.... Über 30 Jahre lang lag mir die kreiskirchliche Arbeit am Herzen und ich habe mich gerne engagiert. In den letzten Monaten ist das alles etwas tiefer gerutscht und sie liegt mir jetzt im Magen, denn meinen Abschied aus dem hauptamtlichen Dienst hätte ich mir wirklich etwas versöhnlicher gewünscht. Meine Stelle wird verspätet mit max. 50% Stellenumfang wieder besetzt. Gerechnet haben wir damit nicht, weil wir erst 2011 beim letzten Personalwechsel erheblich abgespeckt haben.

Ein Kollege aus dem Haus sagte mir kürzlich, dass der Umgang mit dieser Stelle nicht gerade eine Wertschätzung für meinen 30 jährigen Dienst darstellt. Ich sehe das allerdings nicht persönlich, sondern das ganze Jugendreferat betreffend. Seit ich im Kirchenkreis tätig bin wurden immer im Jugendreferat (und nur da!) bei den „Sollbruchstellen Personalwechsel“ Stunden gekürzt. Das Jugendreferat scheint wohl mittelfristig für den Kirchenkreis entbehrlich zu sein. Andere kreiskirchliche Dienststellen kennen diese Probleme nicht. Schon seit fast 20 Jahren fungiert das Jugendreferat als kreiskirchliches Sparschwein. Die Schmerzgrenze ist jetzt überschritten. Das Jugendreferat wird so zum Eunuchen und kann seine Grundfunktionen nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen. Ich frage mich heute: Wer ist als Nächstes dran? Die Kirchenmusik?

Ich tappe also als alt gewordener Luxusartikel durch den Kirchenkreis mit dem Gefühl, dass es mit meinen Gehaltsanteilen Wichtigeres zu finanzieren gibt. Die Herbstsynode 2014 brachte es an den Tag: Das Jugendreferat wird, mit 50% Gehaltsanteilen in der Finanzverwaltung versenkt. Ich lerne: Eröffnungsbilanzen sind wichtiger als 180 Konfis jährlich im Castle und eine adäquate Außenvertretung der Ev. Jugend.

Es geht mir überhaupt nicht darum Jugendreferat gegen Finanzverwaltung ausspielen zu wollen. Die Kolleginnen in der Verwaltung sind mehr als grenzwertig belastet. Die Gründe dafür sind fast ausschließlich hausgemacht: Einführung von NKF mit einem riesigen Fortbildungsbedarf, zwei Komplettumzüge innerhalb von 18 Monaten, wochenlanges Arbeiten in einer Baustelle…Da braucht es dringend Entlastung, aber nicht unbedingt durch Neueinstellungen.

Welche kreiskirchlichen Dienststellen müssen noch auf dem Verwaltungsaltar geopfert werden? Wir verstehen uns ja als Kirche, die nahe bei den Menschen sein will. Unser kreiskirchlicher Trend derzeit ist aber genau entgegengesetzt.

Wir rutschen immer näher zu den Zahlen und verlieren dabei die Menschen aus dem Blick.
Ich frage mich: Wie sollen wir diese Personalentwicklung den Menschen in unseren Gemeinden erklären? Pfarrstellen schrumpfen, Gemeindepädagogen verschwinden und für immer weniger evangelische Christen braucht es immer mehr Verwaltung. Das sind klassische Steilvorlagen für einen Kirchenaustritt!! Es fällt mir immens schwer für eine solche (meine) Kirche auch noch offensiv zu werben.

Ein Grundproblem unserer Kirche ist, dass sie auf Herausforderungen zumeist nur noch reagiert. Es fehlt ein Bild, wie der Kirchenkreis in 5 oder 10 Jahren aussehen soll. Was sind die richtigen Schritte zum Ziel? Welches Personal braucht es dafür?

Am Anfang dieses Jahrtausends hat sich unser Kirchenkreis auf den Weg gemacht mit viel Geld und enormen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Einsatz eine kreiskirchliche Konzeption zu erstellen. Das geschah zwar alles etwas holperig, aber immerhin.

Es gab bis heute keine Evaluation des Prozesses, geschweige denn eine Fortschreibung. Das merken wir nun schmerzlich. Eine Konzeption löst nicht unsere Finanzmisere. Sie zeigt aber den Mitarbeitenden ein Ziel und den Weg dorthin und setzt hoffentlich Kreativität frei, um Menschen für das Evangelium zu gewinnen. Es geht uns um Menschen und nicht um Excel – Tabellen.
 

 

 

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