Kirchenleitung im Gespräch – eine Satire?!

Ein persönlicher Kommentar von Andreas Reinhold

“Kirchenleitung im Gespräch” – das hört sich toll an! Die Düsseldorfer Führungsriege begibt sich in die Niederungen der Gemeinden und stellt sich den Anfragen des gemeinen Gemeindeglieds. Es geht um die ktuellen Kürzungsvorschläge im landeskirchlichen Haushalt von 12 Mio. Euro, über die auf der kommenden Landessynode im Januar 2015 abgestimmt werden soll. Bei aller finanziellen Betroffenheit: man ist begeistert. So viel Transparenz gabs noch nie, manchmal so viel, dass man kaum noch etwas erkennen kann! Ist ja auch nicht selbstverständlich, dass über die Verteilung des Geldes, das die Landeskirche über eine 10,1-prozentige Umlage der Kirchensteuereinnahmen von den Kirchengemeinden erhält, im Vorfeld mal gesprochen und informiert wird – jedenfalls nicht in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Umso dankbarer wird das Angebot angenommen: Auch in Duisburg war die Kirche an diesem Montagabend wieder mal voll.

Zwei Stunden Zeit nimmt man sich. Der Antrag eines Besuchers, doch wegen der Komplexität der Themen um eine Stunde zu verlängern, wird vom Moderator mit dem apokalyptischen Hinweis auf das Ende aller Tage eschatologisch bei Seite geschoben. Zeit ist Geld – und wenn man schon beim Geld kürzen muss, kann man ja schlecht Zeit verschwenden. Also werden alle Statements inklusive dreier Eingangsreferate durch Präses, Finanzleiter und Moderator und nebst obligatorischem Gesang in das 120-minütige Korsett gepresst. Immerhin wird es eine 15-minütige Nachspielzeit geben, allerdings nur widerwillig, was man an der Mimik des Moderators und an den immer kargeren Worten der KL deutlich ablesen kann.

Schließlich sind die einleitenden Ausführungen – u.a. ein verstörender kulturgeschichtlicher Vortrag über Sankt Michael – überstanden. Jetzt kann es endlich losgehen! Denkste. Der Mod hat da nämlich schon was vorbereitet: seine Liste der abzuarbeitenden Schwerpunktthemen, charmant präsentiert auf prähistorischem Overheadprojektor. Was auffällt ist, dass etwas weggefallen ist. Die Auflistung ist nicht komplett. Und sie gibt ganz nebenbei eine Priorität der Themen vor, da sie von oben nach unten abgearbeitet werden soll. Immerhin: Unten ist noch ein bisschen Platz, der für Ergänzungen des Plenums vorgesehen ist. Schon jetzt ist abzusehen, dass die wegen der begrenzten Zeit nur unter ferner liefen eine Rolle spielen werden (u.a. NKF – ein Schelm, wer Böses dabei denkt).

Endlich geht das Mikrofon durch den Kirchsaal. Die Seemannsmission darf beginnen. Dann folgen Schulen, Arbeitslose, Jugendarbeit, Studentengemeinde … Natürlich sind die entsprechenden Interessenvertreter anwesend und geben nacheinander ihre höflich formulierten Kommentare ab. Der dabei vorherrschende bittstellerische Ton wird lediglich durch die frischen, unorthodoxen und spontan nachdrücklichen Beiträge der erfreulicherweise anwesenden Jugendlichen gestört. Man merkt sofort die Unsicherheit, nein, nicht der Jugendlichen, sondern der Kirchenleitung ob solcher Penetranz und unverfrorener Kritik an teuren Apple-Produkten, die vor den Kirchenleitenden liegen. Ansonsten sinken die zu weiteren Wortmeldungen erhobenen Hände immer wieder brav nach unten, sobald für den Moderator ein Thema abgearbeitet ist, er auf der Folie einen Haken hinter das entsprechende Stichwort malt und behände zum nächsten Punkt springt.

Aber nicht nur der Mod, auch die Zeit schreitet voran. Und natürlich erhält auch die Kirchenleitung immer wieder Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen, was nach einem immer gleichen Schema geschieht: Nach einer höflichen Wertschätzung der geleisteten Arbeit und emphatischem Verständnis für die Sorgen der Betroffenen folgt das große “Aber, man müsse ja schließlich sparen” und die Versicherung, man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht (was im Übrigen niemand behauptet). Und falls das noch nicht überzeugt, wird ein mit erhobenem Zeigefinger untermaltes, donnernd-drohendes: “Wer nicht A sagen will, der muss dann aber B sagen!” in den Raum geworfen, so dass alle von dem Sparpaket Ausgesparten die Köpfe einziehen in der Hoffnung, bloß nicht noch ins Visier der Streicher zu geraten.

So plätschert der Abend dahin und man spürt am abebbenden Applaus für Beiträge aus dem Plenum, dass der Widerstand ermüdet. Als dann der Moderator mit seiner nonchalanten Art reichliches Lob über die Kirchenleitung ob ihrer nicht zu beneidenden Arbeit und ihrer überbordenden Dialog-Bereitschaft gießt, ist den Protagonisten der mehr als freundliche Applaus gewiss. Schnell noch ein Abendlied, dann Ringelpietz mit Anfassen und gesegnet nach Hause gehen. Draußen steht man noch zusammen und spricht nun offen aus, was drinnen nicht zu Wort kam. Bedarf an Diskussion hätte es noch für ein, zwei Stündchen mehr gegeben. Aber wer will sich solche Diskussionen noch leisten?!

Nachtrag: Die Initiative “Kirchenleitung im Gespräch” mag gut gemeint sein, hinterlässt aber einen faden Geschmack. Alles in allem scheinen mir diese Abende inszenierte Alibi-Veranstaltungen zu sein. Ich wage zu bezweifeln, dass in den Herzen der Kirchenleitung wirklich noch etwas bewegt werden kann. Jedenfalls habe ich keine neuen Argumente für oder gegen eine Sparmaßnahme gehört, die man bei gesundem Menschenverstand sich nicht schon im Vorfeld hätte denken können. Insofern hören die Düsseldorfer nix neues. Dennoch machen diese Gespräche einen Sinn. Denn der KL geben sie Gelegenheit, herauszuhören, welches Segment die größte Lobby hat – um dann vor der Synode argumentativ noch einmal kräftig an diesen Stellen nachlegen zu können?

Befremdlich finde ich es auch, dass drei von vier Veranstaltungen im Norden der Landeskirche stattfinden (Duisburg, Witzhelden, Bonn). Obwohl, solch ein Nord-Süd-Gefälle ist in der rheinischen Kirche auch nichts neues. Übrigens, die m.E. wichtigste Frage wurde nicht gestellt: Warum man überhaupt an den vorgeschlagenen Stellen sparen muss. Alle Sparmaßnahmen könnte man sich nämlich sparen, wenn man dort, wo das Geld zum Fenster herausgeschmissen (NKF) oder auf Sonderkonten kapitalanhäufend gebunkert wird (Pensionsrücklage) ein wenig zurückhaltender wäre.

Und noch ein letztes: Seit geraumer Zeit führen Kirchenleitungen ständig das Wort “Gliedkirchen” im Mund. Ich bin dafür, dieses Wort zum Unwort des Kirchenjahres zu küren. Die EKD ist schließlich nicht der Leib Christi! Und so sind die Landeskirchen ebensowenig Gliedkirchen der EKD wie die Kirchenkreise Gliedkirchen der Landeskirche und die Gemeinden Gliedkirchen des Kirchenkreises sind. Auch mit Worten lassen sich Strukturen verändern und dieser voran gestellte Begriff suggeriert wieder einmal eine Hierarchie, die es bei uns Evangelischen nicht geben sollte. Als Kirche des Wortes haben wir auch darauf einen wachsamen Blick zu werfen!
 

 

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