Landessynode 2012

Die bbz-Affäre mahnt zur Kurskorrektur -
so geht es nicht weiter!

Von Hans-Jürgen Volk

"Lasset uns aber rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist." (Eph 4,15.16)

Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern, in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, dass sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.

Die Barmer Theologische Erklärung - hier wurde die für die Kirche selbst so wichtige 3. These vorangestellt - hat in der rheinischen Kirche den Charakter eines Bekenntnisses. Bei Ordinationen und bei Einführungen von Presbyter/innen werden Menschen unserer Kirche auf sie verpflichtet. Man darf nicht nur, man muss erwarten und einfordern, dass eine Landessynode in diesem Dokument bei wichtigen Struktur- und Personalentscheidungen ihren Kompass sieht und so Zeugnis von dem gibt, was sie von dem üblichen Betrieb in Politik und Gesellschaft unterscheidet. Gerade der Umgang mit der bbz-Affäre erzeugt jedoch den Eindruck, dass sich die oft menschenverachtenden Spielregeln des Politikbetriebs auch in unserer Kirche breitgemacht haben.

Weitere Hintergründe zum bbz-Skandal

Das Thema bbz wird die Landessynode 2012 vermutlich in nichtöffentlicher Sitzung beschäftigten. Man kann nur hoffen, dass den Synodalen die Hintergründe halbwegs bekannt sind. Bis jetzt steht vor allem Oberkirchenrat Georg Immel unter Beschuss, der bis Oktober 2011 Vorsitzender der dreiköpfigen Gesellschafterversammlung war und dann abberufen wurde. Als Saubermänner bzw. Nothelfer tun sich zwei prominente Mitglieder der Kirchenleitung hervor: Präses Nikolaus Schneider und Vizepräsident Christian Drägert.

In einem Beitrag von epd-west (Vgl. http://www.epd.de/landesdienst/landesdienst-west/schwerpunktartikel/pr%C3%A4ses-schneider-k%C3%BCndigt-nach-finanzskandal-st%C3%A4rke) heißt es: Nach dem Finanzskandal beim Unternehmen bbz GmbH in Bad Dürkheim hat der rheinische Präses Nikolaus Schneider stärkere Kontrollen kircheneigener Unternehmen angekündigt. In diesem Fall habe es offensichtlich "ein massives kriminelles Vorgehen" gegeben, aber auch eine "Schwäche in der Aufsicht", kritisierte Schneider am Sonntag im Deutschlandfunk. "Es gibt ethische Standards, und was da an Anlagegeschäft gemacht wurde, spricht allem Hohn." Nötig sei jetzt "eine funktionsfähige Aufsicht, die so etwas erst gar nicht zulässt". In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau wird Schneider mit den Worten zitiert, die Firma habe „Maß und Ziel“ aus den Augen verloren (Vgl. http://www.fr-online.de/wirtschaft/finanzskandal-bei-beihilfe--und-bezuege-zentrum-riskante-geldanlage-kostet-kirche-20-millionen-euro,1472780,11236488,view,asFitMl.html).

Christian Drägert soll nun den Nothelfer spielen. Mit der ihm eigenen Strenge, die er nur allzu gerne an andere anlegt, sieht er Versagen bei der mangelhaften Aufsicht durch die Gesellschafterversammlung. Dem möchte er mit der Thematisierung von „strukturellen Fragen des Controlling“ auch im Blick auf andere Gesellschaften begegnen, an denen die rheinische Kirche beteiligt ist. - Das „Controlling“ etwas anderes ist als die von Schneider geforderte Kontrolle, sei nur am Rande erwähnt - Controlling gehört - vereinfacht gesagt - zum internen Rechnungswesens eines Unternehmens und soll u.a. der Optimierung von Arbeitsabläufen dienen. Es ist schon bemerkenswert, wie souverän und „sachgemäß“ führende Vertreter unserer Kirche seit einiger Zeit mit betriebswirtschaftlichen Begriffen hantieren. Drägert übernimmt nun den Vorsitz der Gesellschafterversammlung bei bbz als Nachfolger von Immel. Man kann nur gespannt sein, welchen Beitrag er zur Lösung der strukturellen Probleme des Unternehmens zu leisten im Stande ist.

In einer Pressemeldung der rheinischen Kirche vom 28.11. 2011 heißt es außerdem (Vgl. http://www.ekir.de/www/service/bbz-14697.php): „Nach Angaben von Christian Drägert seien die Jahresabschlüsse des Unternehmens seit dem Jahr 2007 „entweder nur eingeschränkt testiert, gar nicht testiert, nicht korrekt aufgestellt und nicht rechtskonform veröffentlicht worden“. Trotzdem sei die Geschäftsführung vom Aufsichtsgremium (Gesellschafterversammlung) teilweise entlastet worden. Die Prüfungen, die die Kirchenleitung auch an dieser Stelle mit der Expertise externer Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer derzeit durchführe, dienten zur Aufklärung offenkundiger Versäumnisse. Neben strukturellen Problemen hätten die fehlenden Einnahmen aus der Anlage zur Folge, dass über Jahre im Unternehmen Verluste aufgelaufen seien, die zu einer Überschuldung und zu Liquiditätsproblemen geführt hätten.“
Die Strategie ist klar: man zeigt auf andere, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Bei aller Kritik, die man an Georg Immel üben kann, (eine kritische Auseinandersetzung mit seinen Positionen hat es auf den „Zwischenrufen“ vielfach gegeben,) es ist schon ungewöhnlich, wie führende Mitglieder der Kirchenleitung mit einem der ihren umgehen und damit von eigenen Verantwortlichkeiten ablenken.

Der Fall bbz hat eine Geschichte, in die die Kirchenleitung insgesamt und an exponierter Stelle Christian Drägert involviert ist. Das Unternehmen wurde im Jahr 1999 von der Ev. Kirche im Rheinland übernommen. Hierbei handelte es sich ursprünglich um eine Außenstelle des Rheinischen Rechenzentrums für Kirche und Diakonie (RKD), das damals verkauft wurde. Der Käufer hatte allerdings an der Außenstelle in Bad Dürkheim kein Interesse und bot es der rheinischen Kirche für 200.000 Euro zum Kauf an.

Zuständig für die Verkaufsverhandlungen auf Seiten der Landeskirche war zu diesem Zeitpunkt Christian Drägert. Er war es auch, der der Kirchenleitung den Vorschlag unterbreitete, die Beihilfeabrechnungsstelle für den genannten Preis zu übernehmen. Immel war in diesen Kauf lediglich im Blick auf die Finanzierung eingebunden.

Bereits in dieser Phase kam es zu einem gravierenden Versäumnis, das an aktuelle Vorgänge um die NKF-Einführung oder die Pläne zur Verwaltungsstrukturreform erinnert: Eine konkrete Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Sinnhaftigkeit des Unternehmens in kirchlicher Trägerschaft wurde nicht vorgenommen. Stattdessen ging man schlicht davon aus, dass die in eine GmbH umgewandelte Einrichtung schon zu einer guten Verzinsung des eingesetzten Stammkapitals führen würde. - Statt rationaler Kalkulation mutierte der Unternehmenskauf und seine Perspektiven ähnlich wie später die NKF-Einführung und die Verwaltungsstrukturreform zur Glaubensfrage.

Schon damals allerdings reichten die Erträge des operativen Geschäfts nicht aus, um die Kosten zu decken. Von Beginn an mussten mit der „freien“ Liquidität Zinserträge erwirtschaftet werden, die die „Gewinn und Verlust-Rechnung“ in den Ertragsbereich führten. Angesichts einer Ausweitung des Geschäftsbetriebs wurde das operative Defizit größer, gleichzeitig erschwerten sinkende Zinsen die Erzielung der notwendigen Erträge. Auf diese Weise kam es letztlich zu der Kapitalanlage, die jetzt durch die Staatsanwaltschaft untersucht wird.

Offenkundig warf das kirchliche Stammkapital zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Rendite ab. Dass ein Unternehmen in einer bedenklichen Schieflage ist, wird spätestens dann deutlich, wenn eine Ausweitung des Kundenkreises das operative Defizit vergrößert. Bereits die Tatsache, dass zuvor nur durch die Zinserträge kurzfristiger Anlagen aus der Liquidität das Unternehmen seinen Bestand sichern konnte, deutet auf strukturelle Probleme hin. Das Unternehmen hat also keineswegs „Maß und Ziel“ aus den Augen verloren, wie Schneider meint, sondern sich in einem Akt der Verzweiflung auf die riskanten Kapitalgeschäfte eingelassen.

Dass die Kirchenleitung sich nie mit den strukturellen Problemen des Unternehmens auseinandergesetzt hat, die seit dem durch Drägert angeregten Kauf deutlich waren, ist kaum vorstellbar. Sie selbst hat den Kauf eines von Anfang an ungesunden Unternehmens vorangetrieben. Sollte Immel, der die meisten seiner KL-Kollegen und -Kolleginnen an Finanz- und Wirtschaftskompetenz übertrifft, tatsächlich nachlässig gehandelt haben, so auf Grund einer Überforderungskultur, für die wiederum das Leitungsgremium insgesamt verantwortlich ist. Bei allem Verständnis für juristische Zwänge, denen auch die Leitung einer Kirche ausgesetzt ist, es muss in derartigen Krisensituationen einen Unterschied zwischen kirchlichem Handeln und einem politischen Handeln geben, das wohlfeil nach Sündenböcken sucht. Ein Zeugnischarakter im Sinne vom Barmen 3 ist jedenfalls im bisherigen Umgang der Kirchenleitung mit der bbz-Affäre nicht zu erkennen. Man kann nur hoffen, dass diese bald zu ihrer Gesamtverantwortung steht und damit den Weg frei macht zu einer konstruktiven Fehleranalyse.

Persönliche Haftung wäre nicht das Schlechteste

Die Landessynode 2012 der Ev. Kirche im Rheinland hat es einmal mehr mit Vorlagen zu tun, die bei entsprechender Beschlussfassung durchaus die finanziellen Auswirkungen des bbz-Desasters übertreffen können. Bereits die neue Struktur der Rechnungsprüfung hat keineswegs die verheißenen Einsparungen erbracht. Die Kostenfrage bei der angepeilten Verwaltungsstrukturreform ist völlig offen. Ebenso ist die Frage unbeantwortet, wie teuer die angestrebte einheitliche IT-Struktur werden wird.

Die bbz-Affäre macht mit großer Dringlichkeit klar, dass derartige Projekte einer nachvollziehbaren Kosten/Nutzen-Analyse bedürfen. Im Übrigen entspricht genau dies der Beschlusslage der Landessynode. Es ist eine Schwäche öffentlich-rechtlicher Strukturen, dass diejenigen, die über Ausgaben beschließen, in den seltensten Fällen mit ihrem Privatvermögen für die Folgen ihrer Beschlüsse einstehen müssen. Wer finanzrelevante Beschlüsse fasst auf Grund bloßer Verheißungen oder des Vertrauens zu bestimmten Personen, der gleicht dem, der unseriösen Finanzberatern auf den Leim geht. Die Folgen haben die Beschäftigten der Kirche zu tragen, die derartige finanziellen Abendteuer mit Stellenabbau und Arbeitsplatzverlust ausbaden müssen.

Zurück zu Barmen!

Wichtige Reformprojekte auch in der Ev. Kirche im Rheinland kranken daran, dass eine Enttheologisierung der Frage nach der Struktur unserer Kirche stattfindet, die eindeutig im Widerspruch zu Barmen steht. Das NKF, das z.B. eine Neuorientierung der Gemeindeleitung durch klar messbare und überprüfbare Ziele fordert, ist nie theologisch reflektiert worden. Ebenso herrscht bei der Verwaltungsstrukturreform ein betriebswirtschaftlicher Tunnelblick vor, der die Aspekte von Interaktion und Kommunikation ausblendet genauso wie die Frage nach den Auswirkungen der geforderten Neuorientierung kirchlicher Körperschaften auf das gesellschaftliche Umfeld. Beratungsunternehmen wie BSL, Steria Mummert oder Kienbaum treten mit ihren teuren Impulsen in Konkurrenz zu Stimmen der kirchlichen Basis. Theologisch motiviert ist ihre betriebswirtschaftliche Rezeptur ganz sicher nicht, sie tragen vielmehr zu einer Gleichgestaltung unserer Kirche mit dem ebenfalls nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten umgestalteten öffentlichen Sektor bei. Sie sichern sich damit nicht zuletzt Marktanteile und Folgeaufträge, denn in aller Regel sind die Verantwortlichen in Politik und Kirche keine geboren Unternehmer, die das angebotene Handwerkszeug irgendwann souverän beherrschen könnten.

Wer sich derart dieser Welt gleichstellt, der betreibt irgendwann Kirchenpolitik, so wie andere eben Politik umsetzen, mit ähnlichen Tricks, Kampagnen und Sündenbockmechanismen.

In einer bemerkenswerten Rundfunkandacht vom 06.01.2012 sagt Wolfgang Glitt aus Saarbrücken: „Die anstehende Landessynode in Bad Neuenahr wird, wenn sie ehrlich und authentisch arbeitet, sich fragen müssen, wie es mit den eigenen Strukturen aussieht, was personell und strukturell dringlich geändert werden müsste. Weiter so wie bisher geht nicht! Dann wird der Vertrauensverlust rapide weiter gehen. Auch unsere kirchliche Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel und die viele gute Arbeit der Basis wird dauerhaft darunter leiden!“ (Siehe http://www.evks-data.de/evks/php/andachten_detail.php?id=4198&niederlassungen_id=3&language_id=1)

 

 

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