Verwaltungsstrukturreform und NKF
Ein „weiter so“ führt ins Desaster!
Die neue Kirchenleitung der Ev. Kirche im Rheinland steht vor großen Herausforderungen
Von Hans-Jürgen Volk
Personell hat sich die evangelische Kirche im Rheinland bei der Landessynode im Januar 2013 in zentralen Positionen neu aufgestellt. Kleine Veränderungen, die auf einen neuen Stil hindeuten, sind erkennbar. So betreibt der neugewählte Präses Manfred Rekowski einen eigenen „Päsesblog“, auf dem zwar bisher die wirklich kontroversen Themen fehlen, dennoch aber ein munterer Meinungsaustausch stattfindet. Der Info-Dienst für PresbyterInnen, der vor Monaten kaum mehr als stinklangweilige Hofberichterstattung enthielt, wartet zunehmend mit handfesten Informationen auf. Die Atmosphäre verändert sich.
Auf der anderen Seite werden mit erheblichem finanziellem und personellem Aufwand „Reform“projekte umgesetzt, deren Nutzen in Frage steht. Umfangreiche und komplizierte Baupläne liegen vor. NKF, Verwaltungsstrukturreform oder Personalplanung sind die wichtigsten und problematischsten Baustellen. Gerade beim Thema „NKF“ deutet alles darauf hin, dass sich die ursprünglichen Verheißungen, effizienter zu werden im Umgang mit den anvertrauten Kirchensteuermitteln und durch die Umstellung der Finanzverwaltung mittelfristig signifikante Einsparungen realisieren zu können, sich ins genaue Gegenteil verkehrt. Bereits jetzt wird deutlich, dass der Kostenaufwuchs durch die Einführung und den Betrieb des NKF die durch den bbz-Skandal verbrannten ca. 22 Mio. € um ein Mehrfaches überbieten wird.
Alarmsignale aus Rheinland-Pfalz
Im Kommunalbericht 2011 des Rechnungshofs von Rheinland-Pfalz wird über die Einführung der Doppik ein vernichtendes Urteil gefällt:
„Die organisatorische und technische Komplexität der Umstellung sowie der hierfür erforderliche Zeitbedarf wurden erheblich unterschätzt. Die gesetzlichen Fristen für die Feststellung von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen wurden im Regelfall deutlich überschritten. Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende, örtliche Prüfung von Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüssen durch Rechnungsprüfungsausschüsse findet weitgehend nicht statt.
Mit der Umstellung des Rechnungswesens, die landesweit einen Einführungsaufwand von hochgerechnet mindestens 140 Mio. € verursacht hat und einen zusätzlichen Personalaufwand von überschlägig 14 Mio. € im Jahr erfordert, sind bisher keine geldwerten Steuerungsvorteile verbunden. Ein positiver Einfluss auf die Entwicklung der kommunalen Haushalte ist noch nicht erkennbar.“
Im Kommunalbericht 2012 wird festgestellt: „Obwohl die rheinland-pfälzischen Kommunen 2011 Einnahmen auf Rekordniveau erzielten, war ihre Finanzlage insgesamt nach wie vor desolat.“ - Trotz, zum Teil auch wegen der Einführung der Doppik!
Problematischer noch als der hohe Einführungsaufwand sind die dauerhaften jährlichen Belastungen, die die Umstellung der Finanzverwaltung für die rheinland-pfälzischen Gebietskörperschaften mit sich bringt. Flächendeckend mussten zusätzliche Stellen eingerichtet werden. Bei den Landkreisen sind dies im Schnitt 2,1 Vollzeitstellen mit einem zusätzlichen Personalaufwand von 88.550 €. Bei den kreisfreien Städten mussten sogar durchschnittlich 3 Vollzeitstellen mit einem bleibenden Kostenaufwand von 162.785 € errichtet werden. Auch angesichts der im Prüfbericht spannend beschriebenen weiteren Mängel und Defizite wundert es kaum, dass über 60% der Kämmerer und sogar 72,6% der Behördenleiter den Nutzen der Doppik als eher gering oder sehr gering bewerten.
Rückbau der Arbeit mit Menschen - Priorität für Organisation und Verwaltung
Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Einführung des NKF in der Ev. Kirche im Rheinland mit ähnlichen unliebsamen Begleiterscheinungen verbunden ist wie bei den rheinland-pfälzischen Kommunen. Eine Problemanzeige beinhaltet der Initiativantrag des Synodalen Federschmidt an die Landessynode im Januar 2012 „betr. Evaluation und Optimierung der Prozesse bei der Einführung des ‚Neuen kirchlichen Finanzwesens‘ (NKF)“, der Kostensteigerung und systemischen Fehlern vorbeugen will. Er zunächst wurde an den Finanzausschuss und den innerkirchlichen Ausschuss überwiesen, später in einem eigenen Antrag der beiden Ausschüsse in Teilen inhaltlich eingearbeitet. Die von Federschmidt ursprünglich vorgesehen Verschiebung von 2014 auf 2015 wurde abgelehnt. Oberkirchenrat Immel stellte in seinem Finanzbericht 2013 u.a. fest: „Häufig bereitet die Arbeit mit dem NKF-Haushalt in Leitungsgremien und den Verwaltungsämtern Schwierigkeiten. Die Komplexität des Haushaltes und die notwendigen systemseitigen Arbeiten führen zu höherem Aufwand.“ (S. 5) Zu aufgetretenen Softwareproblemen merkte Immel an: „Aktuell kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine dauerhafte Lösung nur durch kostenpflichtige Erweiterungen der EDV-Infrastruktur und / oder Reorganisationen von Bearbeitungsprozessen erreicht werden kann.“ (S. 9)
Ich habe in den vergangenen Wochen mehrere Gespräche mit Verantwortlichen aus kirchlichen Verwaltungen vor Ort geführt. Hierbei zeichnete sich folgende Tendenz ab:
- Trotz zusätzlichen Personals, das vielfach zeitlich befristet für die Umstellungsphase eingestellt wurde, sind die Verwaltungen überlastet. Es besteht eine große Skepsis, dass die zeitlichen Vorgaben eingehalten werden können.
- Der dauerhafte finanzielle und zeitliche Aufwand für die Finanzverwaltung wird deutlich höher als bisher eingeschätzt. Daher besteht der dringende Wunsch nach personeller Verstärkung. „Wenn wir zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, benötigen wir auch das entsprechende Personal. Ansonsten können die Aufgaben nicht bewältigt werden.“
Als zusätzlicher Kostentreiber und das kirchliche Personal dauerhaft abnutzender Faktor entwickelt sich die Verwaltungsstrukturreform. Im von der Landessynode im Januar 2013 beschlossenen „Kirchengesetz über die Verwaltungsstruktur der Ev. Kirche im Rheinland“ wird nicht nur eine Mindestpersonalausstattung von 15 Vollzeitstellen gefordert, in § 10, 2 wird zudem festgelegt, in welchen Arbeitsbereichen Personal vorzuhalten ist: „Zur Sicherung von Vertretung und zur Gewährleistung der notwendigen Fachlichkeit bestimmt die Kirchenleitung eine Mindestpersonalausstattung für die Aufgabenbereiche Personalwesen, Finanzwesen, Bau- und Liegenschaften, IT-Angelegenheiten, Leitung sowie Organisation und Controlling durch Rechtsverordnung gemäß § 27.“ Das Kirchengesetz bietet deutlich mehr Spielräume, als das ursprüngliche Papier der Beraterfirma Kienbaum. Dennoch bleibt es dabei, dass Kirchenkreise in Zukunft nur die Wahl haben, entweder deutlich mehr Mittel für Verwaltungsaufgaben auszugeben oder zu fusionieren. Signifikante Einspareffekte dürfte es erst ab Kirchenkreisgrößen von 80.000 - 100.000 Gemeindegliedern geben, durchschnittlich sind die rheinischen Kirchenkreise halb so groß. Würde man dies ernsthaft umsetzen wollen, führte dies zu einem völligen Umpflügen der Strukturen in weiten Teilen der rheinischen Landeskirche. Die mittlere Ebene, die ja angeblich gestärkt werden soll, würde faktisch zur seelenlosen Verwaltungseinheit degradiert.
Ein weiterer Nebeneffekt des so beschlossenen Kirchengesetztes ist es, dass sich die vor allem im Jahr 2011 noch so heftig Geführte Debatte zum Thema „Personalplanung“ als Seifenblase entpuppt. Ein kirchliches Handlungsfeld, nennen wir es „kirchliche Organisation und Verwaltung“, erhält einen Sonderstatus und zwar deswegen, weil es angeblich den 5 verbliebenen Handlungsfeldern „Gottesdienst und Kirchenmusik“, „Gemeindearbeit und Seelsorge“, „Erziehung und Bildung“. „Diakonie und soziale Arbeit“ und „Ökumene“ gesamtumfänglich dient, so die ideologische NKF-Begründung. Und weil das so ist, sind der Pfarrer, die Kirchenmusikerin oder der Jugendleiter durchaus entbehrlich, keineswegs aber der IT-Spezialist, die Controllerin oder der Bauingenieur. Personalplanung betrifft nur die offenkundig nicht so bedeutsame Arbeit mit Menschen. Dort, wo es um „kirchliche Verwaltung und Organisation“ geht, wird ein Stellen- und Kostenaufbau vorprogrammiert, wohingegen der personelle und finanzielle Einsatz für die Arbeit mit Menschen reduziert werden soll.
Einmal mehr wird im Kirchengesetz zur Verwaltungsstrukturreform jenes paternalistische Bild von Kirche sichtbar, dass sich spätestens seit 2006 in der einst presbyterial-synodal und stark basisorientierten rheinischen Kirche verfestigt hat. Nach § 10, 2 entscheidet letztlich die Kirchenleitung darüber, wie sich der Personalbestand der Verwaltung eines Kirchenkreises zusammensetzt
Vertrauen gewinnen durch Partizipation
„Das wird so kommen!“ - diesen Satz, manchmal schicksalsergeben, oft auch verbissen, nie jedoch mit hoffnungsfroher Begeisterung vorgetragen, hörte man in den letzten Jahren entsetzlich häufig. Er signalisiert das Gefühl der Ohnmacht der Basis, die Maßnahmen nach fragwürdigen Bauplänen unter großem Druck umsetzt mit dem fragwürdigem Gefühl im Bauch, dass dies alles zur Vitalisierung der Kirche kaum etwas beiträgt und manchmal sogar mehr schadet als nutzt. Abhängig Beschäftigte der Kirche machen da mit, weil sie Angst um die Integrität ihres Arbeitsplatzes haben. Funktionäre der mittleren Ebene bringen sich karriereorientiert ein. Ehrenamtlich in abnehmender Zahl engagieren sich, weil ihnen immer noch viel an ihrer Gemeinde, vielleicht auch am Kirchenkreis liegt. Der „Mentalitätswandel“, in „Kirche der Freiheit“ vollmundig gefordert, hat stattgefunden. Und er brachte auch im Rheinland Anpassung, die Haltung innerer Kündigung und smarte Karrieristen hervor.
Dies beschreibt jedoch nicht das ganze Bild. Mindestens zweimal hat sich die Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland von einer unbeholfen-autoritär agierenden Kirchenleitung emanzipiert: Einmal, indem sie nach dem bbz-Finanzskandal 2012 gegen den Widerstand der damaligen KL den Weg frei machte zur Bildung der Höppner-Kommission, die unabhängig vom landeskirchlichen Apparat die bbz-Affäre aufarbeiten sollte und dies auf eindrucksvolle Weise auch tat. Dann wählte sie im Januar 2013 eine neue Kirchenleitung und brachte mit ihren Personalentscheidungen den dringenden Wunsch nach Korrekturen zum Ausdruck.
Dass die neue Kirchenleitung mit Manfred Rekowski als Präses diese Korrekturen in Richtung mehr Partizipation und offener Beratungsprozesse umsetzen möchte, darf man getrost annehmen. Dies wird allerdings nicht gelingen, indem man den Zug weiter in die falsche Richtung fahren lässt und lediglich das Tempo etwas drosselt und an der Klimaanlage rumspielt.
Ein Umsteuern ist auch bei bereits beschlossenen „Reform“projekten dringend geboten:
- Im Blick auf die kostenträchtigen Projekte NKF, Verwaltungsstrukturreform, neue IT-Struktur oder Rechnungsprüfung sollte die Kommunikation zu den Verwaltungsamtsleitern und den Regio-MAV’en intensiviert werden. Entscheidend ist hierbei die nachdrückliche Ermutigung, auf Fehlentwicklungen und Missstände hinzuweisen. Echte Partizipation bedeutet, dass die Baupläne auf Grund derartiger Problemanzeigen im Sinne der Funktionalität geändert werden müssen.
- Die Landessynode 2013 hat sich durchaus problembewusst gezeigt, was die Kostenentwicklung angeht, allerdings nur Beschlüsse gefasst, die einen verschärften Blick hierauf werfen, ohne dass direkte Konsequenzen gefordert werden. Bei Projekten, die ursprünglich mit dem Ziel propagiert wurden, Kosten zu reduzieren, die aber jetzt schon nachweislich das Gegenteil bewirken, ist dringend eine Denkpause erforderlich. Wenn der Weg eindeutig vom ursprünglich anvisierten Ziel wegführt, ist Umkehr geboten.
- Last but not least: Wer Vertrauen zurückgewinnen will, muss anderen mit Vertrauen und Zutrauen begegnen. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings Misstrauen gegenüber dem Leitungshandeln von Presbyterien, Kreissynoden und Kreissynodalvorständen strukturell verfestigt und seinen Ausdruck in einer Vielzahl von Verordnungen und Kirchengesetzen gefunden, die weit in das operative Geschäft von Kirchenkreisen und Gemeinden hineinreichen. Hier mag als Beispiel noch einmal die Verwaltungsstrukturreform dienen: es ist schlicht unsinnig und führt zu Geldverschwendung, wenn für einen ländlichen Flächenkirchenkreis für die Verwaltung eine gleiches Profil der Personalstellen gefordert wie z.B. in einem der Kölner Kirchenkreise. Bereits auf den ersten Blick dürfte erkennbar sein, dass der Immobilienbestand, die Struktur beim Personal sowie das Profil der Angebote der kirchlichen Arbeit höchst unterschiedlich sind.
Rekowski hatte im Januar 2013 in Bad Neuenahr „ergebnisoffene Beratungsprozesse“ gefordert. Er sprach sich gegen „Einheitslösungen“ und für „Korridorlösungen“ aus. Auch im Blick auf die Verwaltungsstrukturreform und NKF hat er damit völlig recht.