Kirche und Finanzkapitalismus:
Für Pfarrers Rente spekulieren - Kirche an der Börse
von Christoph Fleischmann
Gerne reklamiert die Kirche ein moralisches Wächteramt. Sie will die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen. Zur Finanzkrise schrieb der Rat der EKD die Denkschrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer. Darin wurde das Profitstreben der Finanzindustrie kritisiert.
Doch gleichzeitig beteiligen sich die Kirchen mit ihren Pensionsfonds als Großinvestoren am Finanzmarkt.
Christoph Fleischmann betrachtet in seinem Radiofeature den ethischen Anspruch und die Realität der Pensionsfonds.
Laden Sie sich hier das Script der Sendung von RBB "Kulturradio" vom 03. August 2014: Für Pfarrers Rente spekulieren die Kirchen an der Börse.
Hier der Inhalt dieses Scripts:
RBB Kulturradio
Gott und die Welt, 3.8. 2014
Für Pfarrers Rente spekulieren
Kirche an der Börse
von Christoph Fleischmann
Regie: Joachim Schönfeld
Redaktion: Anne Winter
christoph fleischmann
maarweg 23
50933 köln
0221-423 60 950
christoph.fleischmann@gmx.de
O-Ton 1 Huber 11'02
Von den Finanzmärkten gehen riesige Chancen für eine wohlhabende Minderheit aus; vor allem aber erzeugen sie riesige Gefahren für alle. Das haben wir in der Finanzmarktkrise der letzten Jahre erlebt. Und ich sage es kurz und scharf: Zureichende Konsequenzen stehen noch aus. [Applaus]
Auf Musikbett: Musik 1 b.fleischmann, your bible... [von Beginn an]
O-Ton 2 Winterhoff PK I 19'26
Wir können eigentlich derzeit nur dafür sorgen, dass wir alle Überschüsse in den Haushalten und überplanmäßigen Einnahmen […] alles in unsere Versorgungseinrichtungen hineinschieben.
O-Ton 3 Segbers I 1'50
Wenn ich davon ausgehe, dass ich Geld investieren will, dann bin ich Teil eines Finanzkapitalismus. Und genau dieser Finanzkapitalismus wurde nach einer Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen so kritisiert, dass gesagt worden ist: Die Kirchen wurden zu Komplizen des Finanzkapitalismus. Und das zeigt sich an der kapitalmarktgedeckten Finanzierung der Pensionen der Pfarrerinnen und Pfarrer.
Titelsprecherin
Für Pfarrers Rente spekulieren.
Kirche an der Börse
Eine Sendung von Christoph Fleischmann
Musik 1 hoch bei:
your bible is printed on dollars / your dollars are printed with blood / Oh my God, I share
the corner of the ring / with Bono and Sting / okay you won –
Musik bricht ab.
O-Ton 4 Winterhoff PK I 1'10
Wenn Sie heute eine Person einstellen als Pfarrerin und Pfarrer, mit 30 Jahren übernehmen, dann haben Sie noch 60 Jahre Versorgungsverpflichtungen für die Hinterbliebenen. Und was in 60 Jahren ist, das kann man zwar versicherungsmathematisch alles ausrechnen in verschiedenen Szenarios, aber dann muss auch immer noch die Kirchensteuer in 60 Jahren sprießen und fließen. Deswegen lautet jedenfalls mein Stichwort immer: Vorsorge treffen und nicht gleich wieder alles in konsumptive Ausgaben stecken. Die schwierigen Jahre kommen noch, sie liegen vor uns.
Sprecher
Bei der letzten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland erklärte Klaus Winterhoff, Mitglied im Rat der EKD, die finanziellen Herausforderungen vor der die einzelnen Landeskirchen stünden: Vor allem die Versorgung der Ruheständler belastet die Haushalte.
Die rheinische Landeskirche zum Beispiel zahlt inzwischen ein knappes Viertel ihrer Kirchensteuer für die Pensionsverpflichtungen ihrer Pfarrerinnen und Pfarrer – einschließlich einer Rücklage für die Beihilfe zur Krankenversicherung. Dieses Geld fließt aber nicht an die Ruhestandspfarrer selber, sondern an die Gemeinsame Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte in Dortmund, die die Pensionäre auszahlen – und Kapital sammeln.
O-Ton 5 Campenhausen I 12'41
Dann sieht man, dass wir aktuell noch eine Überschusssituation haben, das heißt wir kriegen mehr Liquidität zugeführt wie abfließt, das ist die kurzfristige Situation.
Sprecher
Hans-Rudolf von Campenhausen, einer der beiden Vorstände der Dortmunder Versorgungskasse, skizziert die Perspektiven der Kapitalbildung für seine Kasse. Er sieht den geburtenstarken Jahrgänge der frühen 60er gelassen entgegen:
O-Ton 6 Campenhausen ff.
Der starke Pensionärsberg, der kommt erst noch. Also in 15 Jahren ist der Höhepunkt erreicht, das ist der stärkste Jahrgang, der in Pension geht. Dann ist es gut vorstellbar, dass wir in eine Situation kommen, wo wir mit den Zuflüssen alleine nicht auskommen, sondern wir werden dann auch auf Kapital zugreifen müssen […] und ein Teil der Kapitalanlagen aufzehren. Aber auch dieser Berg wird wieder schrumpfen, und dann kommen wir in eine Phase, wo wieder gespart wird, wo also wieder Kapital aufgebaut wird.
Sprecher
Aktuell werden also für die Altersversorgung der Pfarrer Kapitalstöcke aufgebaut um eine Rücklage zu haben; nicht nur in Dortmund. Denn nicht nur in der rheinischen Landeskirche wird damit gerechnet, dass die Kirchensteuer in Zukunft sinkt:
O-Ton 7 Campenhausen I 13'35
Dahinter stehen natürlich immer Annahmen. Also eine wesentliche Annahme ist zum Beispiel die Annahme der Kirchensteuerentwicklung, was ja eine wesentliche Finanzquelle der Kirche ist. Es ist unterstellt, dass die Kirchensteuer jedes Jahr 3 Prozent rückläufig ist für die nächsten 30 Jahre.
Sprecher
Ein Trend, den man in der Regel mit der schrumpfenden Zahl der Kirchenmitglieder begründet, den man aber in der Vergangenheit nicht beobachten konnte:
O-Ton 8 Campenhausen ff.
Das haben wir auch in den vergangen Jahren schon immer unterstellt gehabt, wobei die letzten Jahre entgegen diesem Gutachtentrend Jahre waren, wo die Kirchensteuer noch gestiegen ist. Aber wie es weitergeht in naher Zukunft, ist natürlich auch irgendwie Kaffeesatzlesen, man weiß es nicht genau. Da kann man nur mit Annahmen arbeiten.
Sprecher
Aber weniger Mitglieder heißt nicht automatisch weniger Kirchensteuer: Nach der aktuellen Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums werden die Einnahmen der Kirchen auch in den nächsten Jahren steigen, die Wirtschaftskraft wird den Mitgliederschwund überkompensieren. Trotzdem wird weiter mit Annahmen gearbeitet, die sich schon in der Vergangenheit nicht bewahrheitet haben.
O-Ton 9 Campenhausen II 8'05
Also die Schätzungen machen nicht wir hier im Hause, die kommen von den Landeskirchen, insofern kann ich die jetzt auch nicht im Detail begründen. Also das sind einfach gewisse Annahmen, die man treffen muss, auch mit einer gewissen Vorsicht sicherlich.
Musik 2 Vertraut den neuen Wegen [Chor]
Vertraut den neuen Wegen, / auf die der Herr uns weist, / weil Leben heißt sich regen, /
weil Leben wandern heißt. / Seit leuchtend Gottes Bogen / am hohen Himmel stand, / sind
Menschen ausgezogen / in das gelobte Land.
Sprecher
Früher einmal haben viele Landeskirchen deutlich weniger Geld für die Altersversorgung zurückgelegt, weil sie für ihre Pfarrerinnen und Pfarrer in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben und einen Teil der Pfarrpensionen damit abgedeckt hatten: die ostdeutschen Landeskirchen haben das so gemacht, aber auch die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau und die badische Landeskirche. Inzwischen zahlt nur noch die bayerische Landeskirche in die staatliche Rentenkassen.
O-Ton 10 Segbers 3'15
Als die Kirchen ab dem Beginn des Jahres 2000 angefangen haben aus der umlagefinanzierten Finanzierung der Renten auszusteigen und einen Kapitalstock aufzubauen, war das eine Zeit, in der man den Versprechungen des Finanzkapitalismus geglaubt hatte.
Sprecher
Der Sozialethiker Franz Segbers erinnert an die roaring nineties, als die Aktienmärkte boomten. Zur selben Zeit wurde die umlagefinanzierte gesetzliche Rente, bei der die aktuell Erwerbstätigen für die heutigen Rentner zahlen, durch politische Reformen der Schröder-Regierung in ihrer Leistungsfähigkeit geschwächt. Und die Bürger wurden aufgefordert, zusätzlich privat für das Alter vorzusorgen: Mit Riester-Renten, Rürup- Renten, Pensionskassen und Lebensversicherungen, die das Geld auf dem Kapitalmarkt arbeiten lassen:
O-Ton 11 Segbers ff.
Und die Versprechungen des Finanzkapitalismus waren zweierlei: Erstens auf den Finanzmärkten lassen sich viele höhere Renditen erwirtschaften als mit einer umlagefinanzierten Rente. Und das zweite ist: Mit dieser höheren Rendite können wir das Problem der Überalterung unserer Gesellschaft schlagen. Und beides hat sich durch die Krise des Finanzkapitalismus ab dem Jahre 2008 als irrig erwiesen.
Sprecher
Die geschäftsleitende Oberkirchenrätin der Evangelischen Landeskirche in Baden, Barbara Bauer, erinnert sich noch, wie ihr Vorgänger den Austritt aus der damals noch BfA genannten gesetzlichen Deutschen Rentenversicherung Bund begründet hat:
O-Ton 12 Bauer I 4'30
Er hat sich angeschaut, was zahle ich ein in die BfA und was bekomme ich raus und hat gesehen, dass das Verhältnis der Einzahlungen zu den Auszahlungen ausgesprochen ungünstig war verglichen mit einer selbständigen Regelung in einer Versorgungsstiftung und hat dann gesagt: Dann mach ich es lieber selber, dann muss ich nicht so viel einzahlen.
O-Ton 13 Segbers II 1'48
Die Rentenversicherung war sehr enttäuscht über diese Entscheidung der Kirchen, einzustimmen in die Kritik an der Rentenversicherung.
Sprecher
Sagt der Sozialethiker Franz Segbers, der den Ausstieg der Kirchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für einen großen Fehler hält
O-Ton 14 Segbers ff.
Und jetzt sehen wir nach zehn, zwölf Jahren Rentenreform, dass alle diese Versprechungen über die Riesterrente, die Rüruprente, den Abbau des Rentenniveaus auffangen zu können, nicht funktionieren. […] Deswegen ist es wichtig, dass alle in diese Rentenkassen einzahlen, damit alle auch ihren Vorteil aus dieser Rentenkasse beziehen können. Deswegen brauchen wir eine Verstärkung der Solidarität und nicht ein Davonschleichen aus der gesellschaftlichen Solidarität. Und die Kirchen haben sich mit […] einer kapitalgedeckten eigenen Vorsorge für die Pfarrerinnen und Pfarrer aus dieser Solidarität davongeschlichen.
Sprecher
Oberkirchenrätin Barbara Bauer dagegen glaubt, dass eine umlagefinanzierte Rente in einer alternden Gesellschaft wie der unseren nicht mehr generationengerecht sei:
O-Ton 15 Bauer 14'06
Wir möchten, dass jede Generation so viel wie möglich für sich selber sorgt und nicht jetzt im Augenblick die Gelder ausgibt und dann sagt: Wenn wir mal alle alt sind, dann könnt ihr sehen, wie ihr für uns sorgt. Wir sorgen für uns selbst und ihr sorgt dann für Euch selbst, so gut es geht.
Sprecher
Auf den Kurs einer starken Kapitaldeckung der Altersversorgung haben sich die Leitungen der evangelischen Landeskirchen 2006 in einem sogenannten Erweiterten Solidarpakt verständigt. Der Text dieses Paktes wurde von den Kirchenleitungen nicht veröffentlicht, so dass ihn auch kirchliche Insider nicht kennen, aber auf Nachfrage gibt Oberkirchenrat Thomas Begrich vom Kirchenamt der EKD Auskunft:
O-Ton 16 Begrich 13'5
Im Erweiterten Solidarpakt […] sagen wir: Es sollen aus den aktuellen Haushalten nicht mehr als 10 Prozent aufgewandt werden müssen, um die Pensionen der jetzt im Ruhedienst befindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Um das erreichen zu können, muss man ungefähr siebzig Prozent Kapitaldeckung haben.
Sprecher
Es gibt Landeskirchen, die die geforderte Kapitaldeckung der Pensionsansprüche noch nicht erreicht haben – die stehen unter Beobachtung:
O-Ton 17 Begrich dlf
Und solche finanziellen Mindeststandards werden dann auch von uns im Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft der Gliedkirchen überwacht. Und dazu kriegen wir einmal im Jahr ein paar Kerndaten, die wir dann auswerten und dann wieder mit den jeweiligen Gliedkirchen sprechen: Wie ist der Stand, wo liegen die Probleme? Wo sehen wir die Probleme? Wo muss man mehr tun?
Sprecher
Wie hoch die Rücklagen sind, die die einzelnen Landeskirchen für ihre Pfarrer angesammelt haben, wird von der EKD nicht veröffentlicht.
O-Ton 18 Begrich dlf
Ich habe die Zahl natürlich, aber ich bin nicht befugt die Zahl zu nennen, weil das jede Landeskirche für sich macht. Aber Sie müssen sich vorstellen, dass das ein Betrag ist, der sich zwischen 10 und 15 Milliarden Euro deutschlandweit bewegt, wenn man es addieren würde oder addieren könnte.
Musik 3 Ein feste Burg ist unser Gott, Str. 2
Mit unserer Macht ist nichts getan,/ wir sind gar bald verloren / es streit für uns der rechte
Mann, / den Gott selbst hat erkoren / fragst Du, wer der ist / er heißt Jesus Christ, / der
Herr Zebaoth, / und ist kein andrer Gott, / das Feld muss er behalten.
Sprecher
Durch die Reformen der Schröder-Regierung wird das Niveau der gesetzlichen Rente sinken. Aber private Altersversicherungen seien kein guter Ersatz, meint Christian Christen, Wirtschaftswissenschaftler und Experte für Alterssicherungssysteme. Er macht auf einen einfachen Umstand aufmerksam: Wenn die Wirtschaft nicht wächst, wächst auch das in die Wirtschaft investierte Kapital nicht, von dem man irgendwann mal Pensionen zahlen möchte. Dass das nicht nur eine theoretische Möglichkeit sei, zeige das Schicksal von Pensionsfonds außerhalb von Deutschland:
O-Ton 19 Christen III 16'05
Was hat sich ergeben in den Vereinigten Staaten? Das war nicht nur die Finanzmarktkrise, auf einmal waren ihre angesparten Werte, die sie über 30, 40 Jahre [...] angelegt haben, nicht mehr wert. Es gab einen Cut durch die Finanzmarktkrise, die Verluste sind bis heute nicht ausgeglichen worden. Gucken Sie sich die amerikanischen Alten, Pensionäre an, die eigentlich damit gerechnet hatten, ihren Lebensabend, in Florida einigermaßen gut zu verbringen, überspitzt gesagt, die können mit 70 bis 75 immer noch bei Wall Mart Kartons stapeln und Ware einsortieren.
Sprecher
Mit anderen Worten: Nur wenn die Wirtschaft wächst, sind die Kapitalanlagen in 30 Jahren etwas wert. Und wenn die Wirtschaft wächst, funktioniert auch ein Umlagesystem, bei der die gestiegene Wirtschaftskraft durch Steuern oder Beiträge abgeführt wird – nur ohne die spezifischen Unsicherheiten der Finanzmärkte. Deren Forderung nach mehr Wachstum und immer höheren Renditen sehen die Kirchen seit der Finanzkrise eigentlich kritisch:
Der ehemalige Berliner Bischof und EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber wurde auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden dazu grundsätzlich:
O-Ton 20 Huber 14'04
Das Drama der Wirtschaftszyklen, so meinte man, werde aufhören und durch eine unabsehbar lange Epoche stetig steigender Erträge abgelöst. Aus der vermeintlichen Eigendynamik globaler Finanzströme wurde eine Reich-Gottes-Botschaft abgeleitet, das Evangelium der Finanzmärkte.
Sprecher:
Und in der Stellungnahme der EKD zur Finanzkrise aus dem Jahr 2009 hieß es:
Zitatorin:
Die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise darf, aus der Perspektive der nötigen Umkehr gesehen, nicht isoliert betrachtet werden. Sie rückt vielmehr in den Horizont nachhaltiger Entwicklung. Kurzfristig angelegte Maßnahmen müssen auf ihre Vereinbarkeit mit weltweiter Gerechtigkeit und Generationengerechtigkeit ebenso geprüft werden wie auf ihre Umweltverträglichkeit. Eine Stabilisierung der Märkte um den Preis weiter zunehmender Armut, auf Kosten nachfolgender Generationen oder verbunden mit weiteren Umweltbelastungen würde in kurzer Zeit die nächste Krise heraufbeschwören.
Sprecher
Doch die kirchlichen Kassenverwalter sehen sich vor der Aufgabe, für die Altersversorgung der Pfarrer eine ansprechende Rendite zu erwirtschaften. Das ist in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase schwierig. Deswegen verweist man auf Regionen, wo die Wirtschaft noch schneller wachse als in Deutschland und darum höhere Renditen zu gewinnen seien. Im Geschäftsbericht von 2012 der Dortmunder Versorgungskasse für Pfarrer sind 48 Prozent der Anlagen als "Aktien, Investmentanteile und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere" klassifiziert. Vorstand Wolfram Gerdes erläutert:
O-Ton 21 Gerdes III 17'35
Darin enthalten sind die 25 Prozent Aktien, darin enthalten sind zum Beispiel Rentenanlagen außerhalb von Deutschland, das sind Unternehmensanleihen, das sind auch festverzinsliche Anlagen, das sind auch Staatsanleihen von Schwellenländern drin, da sind Aktienanlagen weltweit: USA, Japan, Südostasien, Europa. Das heißt im Grunde ein weltweites Spektrum.
Sprecher
Möglich wird der hohe Anteil nicht-festverzinslicher und ausländischer Aktien und Anleihen, weil die kirchlichen Kassen einer weniger strengen Regulierung als private Lebensversicherer unterliegen, erklärt der Sozialethiker Franz Segbers.
O-Ton 22 Segbers I 11'05
Das heißt im Klartext, sie können diese Gelder investieren in den emerging markets, in den Schwellenländern, und können sozusagen da Renditen erwirtschaften, die die anderen Pensionskassen so ohne weiteres aufgrund gesetzlicher Restriktionen nicht erwirtschaften können. Jetzt ist aber doch die Frage zu stellen: Ist das richtig, dass wir in den Ländern wie Indien oder auch Brasilien, die sich jetzt hervorarbeiten und wirtschaftlichen Aufschwung haben, diesen wirtschaftlichen Aufschwung mit abschöpfen? Oder eine zweites Investitionsfeld sind die Immobilien:
O-Ton 23 Gerdes III 13'25
Wir sind momentan bemüht, die Immobilienquote zu erhöhen, sprich neue Objekte hinzuzuerwerben; das ist immer leichter gesagt als getan, denn die Preise sind auch mittlerweile relativ hoch, man muss das natürlich mit Maß tun, aber ja: aktuell [...] Mietverzinsung nach Kosten sind deutlich höher, als was ich für Festgeld bekomme, also festverzinsliche Kapitalanlagen.
O-Ton 24 Segbers ff
Bundesweit klagen die Menschen über steigende Mieten. Was die Klage der einen ist, ist die Freude der anderen. Die Freude der anderen ist nämlich diejenige, derer die dort investiert haben im Immobiliensektor und über Immobilien eine hohe Rendite erwirtschaften können. Also ich finde, es stünde den Kirchen angesichts explodierender Mieten viel besser an, dieses Kapital nicht zu investieren, um dort Renditen für eine Pension zu erwirtschaften, sondern umgekehrt für Kleinverdiener, für Familien […] Wohnungen zu schaffen, wo diese Menschen leben können und wohnen. – Also, der Versuch, der Generationenfrage dadurch ein Schnippchen zu schlagen, dass man auf den Kapitalmarkt geht, führt uns in neue ethische Schwierigkeiten.
Musik 4 Wer nur den lieben Gott lässt walten
Wer nur den lieben Gott lässt walten / und hoffet auf ihn allezeit, / den wird er wunderbar
erhalten / in aller Not und Traurigkeit / Wer Gott dem Allerhöchsten traut, / der hat auf
keinen Sand gebaut.
Sprecher
Den moralischen Fallstricken beim Geldanlegen ist man sich von Seiten protestantischer Investoren bewusst. Ein Arbeitskreis aus verantwortlichen Finanzfachleuten von Landeskirchen und Kirchenkassen hat einen "Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche" erarbeitet. So soll vermieden werden, dass Kirchengeld anrüchige Geschäfte fördert:
O-Ton 25 Bassler wdr [mit Saalatmo]
ich meine die Klassiker sind ja schon von kirchlicher Seite immer gewesen: Harte Alkoholika, Tabak, Rüstung, kontroverse Waffen. So was ist wirklich ausgeschlossen vom Geschäftsbereich her. Und dann aber eben auch: Wie wird gewirtschaftet, das heißt, wie ist es in der Lieferkette um die Einhaltung von Arbeitsschutzkriterien bestellt. Solche Kriterien spielen auch als Ausschlusskriterien eine Rolle.
Sprecher
Karin Bassler ist Koordinatorin des Arbeitskreises kirchliches Investment, kurz AKI, das den Leitfaden erarbeitet hat. Ausgeschlossen sind nach dem Leitfaden solche Firmen aber nur, wenn sie mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit den verbotenen Gütern erzielen.
O-Ton 26 Schneeweiß I 0'36
Starker Aufschlag, weil sich die protestantischen Investoren damit zum ersten Mal auf einen Katalog geeinigt haben, der zwar immer noch auf freiwilliger Basis ist, aber man merkt sehr viel Engagement, den auch wirklich umzusetzen auf allen Ebenen.
Sprecher
Antje Schneeweiß vom kirchennahen Südwind-Institut beschäftigt sich seit vielen Jahre mit dem Thema nachhaltiges Investment.
O-Ton 27 Schneeweiß ff
Ein erster Schritt in die richtige Richtung würde ich so bei der Umsetzung ansehen – und da eben noch erwarten, dass man noch ein bisschen genauer nochmal erfährt und es etwas transparenter wird, wie denn die einzelnen Kriterien tatsächlich von den einzelnen Mitgliedern des AKI denn auch umgesetzt werden.
Sprecher
In die Bücher bzw. ihre Portfolio-Strukturen lassen die kirchlichen Investoren die Öffentlichkeit in der Regel nicht schauen.
Offen ist lediglich der Aktienfonds KCD-Union, der von Union Investment für den Vertrieb über Kirchenbanken entwickelt wurde. Die Ausschlüsse für diesen Fonds sind ähnlich denen im evangelischen Leitfaden. Trotzdem finden sich dort Firmen wie
Zitator
Die Ölfirmen Statoil, Occidental Petroleum und Schlumberger –
Zitatorin
Letztere hat den Firmensitz auf den niederländischen Antillen, einer sogenannten Steueroase.
Zitator
Die Firmen Nestlé und McDonald.
Zitatorin
Quasi Intimfeinde diverser Menschenrechts- und Umweltgruppen.
Zitator
Viele Banken; darunter J.P Morgan.
Zitatorin
Die US-Großbank musste eine akzeptierte Rekordvergleich von 13 Milliarden Dollar wegen zweifelhafter Hypotheken-Geschäfte.
Zitator
Die britische HSBC.
Zitatorin
Strafzahlung wegen Wäsche mexikanischer Drogengelder.
Zitator
BNP Paribas.
Zitatorin
Strafzahlungen wegen Bruch des Sudan-Embargos – und andere Banken, die im Zusammenhang mit dem Libor Skandal und den Währungsmanipulationen genannt werden.
Sprecher
Da Banken ihrerseits investieren, lässt sich ohnehin nicht ausschließen, dass man mit Bankaktien ungewollt Geschäftsfelder fördert, die man für ethisch bedenklich hält.
O-Ton 28 Huber 8'41
In der Zukunft erwartete Preisveränderungen von Rohstoffen oder Devisen werden heute in Gewinnmargen umgesetzt, Schulden werden in Wertpapiere umgewandelt und meistbietend verkauft. Man kann auch auf Kursverluste von Wertpapieren spekulieren oder an der Insolvenz von Griechenland verdienen.
Sprecher
Die Praktiken, die Wolfgang Huber benennt, sind nach dem Leitfaden auch für die kirchlichen Investoren nicht ausgeschlossen. Vielmehr gab ein Vorstand einer kirchlichen Versorgungsstiftung zu, dass man auch mit griechischen Staatsanleihen in den letzten Jahren Geld verdienen konnte, wenn man rechtzeitig verkaufte.
Neben den Ausschlusskriterien orientiert man sich bei den kirchlichen Investoren an sogenannten Positivkriterien: Spezielle Ratingagenturen bewerten, welche Firmen in einer Branche zu den relativ „Guten“ gehören und empfehlen sie für nachhaltiges Investment. Völlig vertrauen sollte man aber auch diesen Empfehlungen nicht:
O-Ton 29 Schneeweiß I 21'57
Diese Titel stehen da nicht drauf, weil eine Nachhaltigkeitsratingagentur die so schön findet, die kennen die Probleme und die Unzulänglichkeiten dieser Firmen schon, aber sie arbeiten ja für Investoren, also ein Universum von 100 oder 50 Firmen reicht mir überhaupt nicht ich will ein Universum von … ja so ein paar hundert Unternehmen, bitte sag uns welche 500 bis 1000 Unternehmen denn nun die besten sind, das ist die Vorgabe.
Die Vorgabe ist nicht, reduzier mir doch mein Universum auf die kleine Gruppe dunkelgrüner und sehr sozialer Unternehmen, die es auf der Welt gibt.
Sprecher
Die Hoffnung ist, dass die Ratings trotzdem Firmen animieren, umweltfreundlicher und sozialverträglicher zu arbeiten. Ein wirklicher Anreiz scheint das jedoch nicht zu sein, hat eine Studie von Antje Schneeweiß ergeben:
O-Ton 30 Schneeweiß I 24'55
Die 22 Unternehmen, die ich da interviewt hab, haben nur zwei das wirklich sehr hoch gehangen ihre Note und haben auch Veränderungen aufgrund dieser Ratings durchgeführt. Das war eine qualitative Untersuchung […], aber ich habe was anderes erwartet und ich war schon negativ überrascht, dass der Einfluss von diesen Ratings offensichtlich nicht so hoch war, wie man in Kreisen des nachhaltigen Investments gerne hätte.
Sprecher
Das Geld ethisch anlegen zu wollen ist ein – mitunter eher fauler – Kompromiss zwischen Rendite und Moral; und in seiner positiven Wirkung bisher kaum nachweisbar. Also in erster Linie etwas für das gute Gewissen der Kirchenleute?
O-Ton 31 Bassler wdr [mit Saalatmo]
Ja, aber das ist ja an sich nichts Schlechtes; aus Kirchensicht ist es ja schon eine Frage, ob ich mit den Geldanlagen, die ich tätige, ruhig schlafen kann. Es geht nicht nur darum, bei den Unternehmen etwas zu bewirken, sondern es geht auch darum, wie ich selber glaubwürdig bleiben und meinen Prinzipien treu bleiben kann an der Stelle.
Sprecher
Während es Karin Bassler vom Arbeitskreis kirchliches Investment um das gute Gewissen beim Geldanlegen geht, fordert der Sozialethiker Franz Segbers, dass die Kirche weniger Geld auf dem Kapitalmarkt investieren. Die Milliarden seien in einer umlagefinanzierten Rente besser aufgehoben:
O-Ton 32 Segbers IV 1'15
Wir müssen neu die Solidarität lernen, eine Solidarität, die unsere Gesellschaft braucht. Die Kirchen sollten ein Zeichen für diese Solidarität geben, in dem sie den Irrweg einer Finanzierung der Pensionen über den Kapitalmarkt beenden und umkehren aus dieser Verquickung und Vernetzung mit dem Finanzmarktkapitalismus und die Solidarität im Sozialstaat stärken und die umlagefinanzierte Rente sichern für alle Beschäftigten: und damit sind die Kirchen und ihre Beschäftigten Teil einer Solidarität aller Beschäftigten in dieser Gesellschaft.
Musik 5 b.fleischmann, your bible... [ab 3'13]
your bible is printed on dollars / your dollars are printed with blood / Oh my God, I share
the corner of the ring / with Bono and Sting
your bible is printed on dollars / your dollars are printed with blood / we both don't know
what we are doing / let's reset, hey let's stop.
Titelsprecherin:
Für Pfarrers Rente spekulieren.
Kirche an der Börse
Sie hörten eine Sendung von Christoph Fleischmann
Redaktion: Anne Winter
Regie: Joachim Schönfeld