Politik mit Planzahlen

Von irrenden und irren Prognosen
Von Friedhelm Schneider -
mit einem Nachtrag von H.-J. Volk zum Sparkurs der EKiR

Die Kirchensteuereinnahmen steigen 2013, sie stiegen auch schon 2012. Das will zur „große Erzählung“ der kirchlichen Finanzabteilungen,  der Sage von den sinkenden Kirchensteuern aufgrund sinkender Kirchenmitliedschaftszahlen, der in der EKiR so betitelten "einfachen Formel", ganz und gar nicht passen.

Wie geht man damit um? Ein Blick in den neuen Jahresbericht der EKHN für 2012/2013 gibt Auskunft (Vgl. S. 6. Überschrift: „Gute Haushaltssituation auch dank vorausschauender Planung“).
Dieser Beitrag lohnt der genaueren Analyse. Hier wird verdeutlicht a. wie stark (und erfreulich positiv) wie auch in den letzten Jahren die Realität von den früheren Prognose abweicht (vgl. 1.); b. wie die Prognosen gemacht werden.

1. Irrende Prognosen

Vergleichen wir das Ergebnis der letzten Jahre 2011 und 2012 mit der letzten Prognose für diesen Zeitraum  gemäß den veröffentlichten Zahlenangaben der EKHN (!) aus dem Jahr 2011 (entnommen dem Reader zur Pfarrstellenbemessung der EKHN von 2011):

EKHN Jahresbericht Grafik Irrende Prognose
Wir stellen fest: die – negativen, weil einen Kirchensteuerrückgang der Nettokirchensteuer (!) prognostizierenden Zahlen für 2011 und 2012 sind nicht eingetroffen. Die tatsächlichen Einnahmen liegen in 2011 um 24 Mio. € über der Prognose (+ ca. 6%) und im Jahr 2012 sogar um 37 Mio. € (+ 9%) über den Prognosen von 2011. Nun könnte man sagen: Prognosen können fehlen. Das stimmt. Das müssten sie aber bspw. Nicht in einem Jahr wie 2013. Der Staat verzeichnet wiederum Steigerungen der Lohn- und Einkommensteuer, die sich auch in 2013 bei der Kirchen durch höhere Kirchensteuereinnahmen niederschlagen werden. Die Prognose für 2013 sagt aber wieder – wie 2011 – einen Einbruch um ca. 6% voraus. Sie ist also empirisch schon heute widerlegt. Man kann das nicht allein mit Dilettantismus erklären. Wie aber dann?

2. Irre Prognosen

Vergleichen wir die Prognosen aus dem Jahr 2011 für den Zeitraum von 2011 bis 2014 mit den Prognosen von heute, 2013, für den Zeitraum von 2013 bis 2016.

EKHN Jahresbericht Grafik Irre Prognose
Wir stellen eine nahezu identische Prognosekurve in Bezug auf den statistischen Ausgangswert (jeweils der erste Balken) für die jeweiligen Folgejahre fest. Das mag erstaunen. Denn mit den unterschiedlichen empirischen Wirtschaftsdaten von 2011 und 2013 können die identischen Prognosen ja nicht erklärt werden. Es verwundert auch, dass die Prognosen nicht den Mitgliederrückgang abbilden. Denn dieser Kausalzusammenhang zw. Mitgliederrückgang und Rückgang der Finanzmittel ist ja wesentliches Fundament der „großen Geschichte“ der kirchlichen Finanzabteilungen. Handelt es sich bei der Prognose etwa nur um einen in der Software eingestellten Prognosealgorithmus, der der Einfachheit halber - und weil man unterstellt, dass niemand nachprüft - auf Dauer gestellt wurde? Dies ist natürlich eine ironische Unterstellung - klar. Der ernste Hintergrund: es fällt den Finanzdezernenten zunehmend schwerer, die Diskrepanz zwischen dem Dogma der "einfachen Formel" und der empirischen Realität zu kaschieren. Solche Diskrepanzen sind untrügliche Zeichen für  - untaugliche - Ideologien. Davon muss sich die Kirche dringend verabschieden. Denn Ideologien führen zuerst in die autoritäre Herrschaft - und in fortgeschrittenem Stadium zu einer Verwandlung der Existenz aus der Wirklichkeit ins Geschichtsbuch. Die DDR lässt grüßen. Und das hat die Reformation, das hat der Protestantismus nicht verdient.

Wir sind sicher: das nächste mal wird alles besser. Mindestens aber wird der Prognosealgorythmus geändert werden...

Kürzlich meinte jemand im Gespräch, in der Finanzpolitik der Kirche bräuchte es eine neue Ernsthaftigkeit. Er dürfte recht haben.

Nachtrag:
Irrende Prognostik im Rheinland als Grundlage für ein realitätsfernes Sparprogramm

Was Friedhelm Schneider hier darlegt, trifft ziemlich genau die Finanzprognostik und die davon konsequent positiv abweichende Realität in der EKiR. Vieles deutet darauf hin, dass die von Schneider angesprochene Ideologie und die damit verbunden falschen Grundannahmen ihren Ursprung in der EKD-Zentrale haben, denen Finanzabteilungen von Landeskirchen gehorsam folgen.

Das Schlimme ist, dass in der EKiR die überholten Planzahlen von 2013 die Grundlage eines brutalen Sparprogramms darstellen, dass sich gegen die eigenen Beschäftigten richtet.

Bis heute wird für 2013 mit einem Verteilbetrag von 575,4 Mio. € gerechnet und hieraus ein „strukturelles Defizit“ für den Haushalt der Landeskirche von 7,8 Mio. € konstruiert. Tatsächlich rechnet man mittlerweile auch in der rheinischen Finanzabteilung auf Grund der positiven Kirchensteuerentwicklung von 593,5 Mio. €. Dies ist immer noch unrealistisch niedrig, denn das Ergebnis von 2012 lag bei 594 Mio. €. Die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer sind im gesamten Jahr 2013 über den Ergebnissen von 2012 gewesen und zogen in den vergangenen Monaten noch einmal richtig an mit den entsprechenden Auswirkungen auf die ebenfalls deutlich gestiegenen Kirchensteuereinnahmen. Es kann also gar nicht anders sein, als dass endgültige Ergebnis für 2013 deutlich über dem von 2012 liegen wird.

In der nachfolgenden Tabelle werden die Differenz zwischen den Planzahlen und dem tatsächlichen Ergebnis ab 2005 dargestellt - berechnet bis 2013 (wobei in 2013 nur ein geschätztes Ergebnis vorliegt). Es ergibt sich insgesamt eine Summe von 244,52 Mio. €, mit der sich die Jahresergebnisse positiver entwickeln als die Planung. Durchschnittlich weichen die Ergebnisse um 27,17 Mio. € in jedem Haushaltsjahr positiv von der Planung ab - dies ähnelt frappierend den von Schneider vorgelegten Zahlen der EKHN.

 

  2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Nettokirchen-
steuer-
Aufkommen
(Verteilbetrag)
in Euro
492 Mio. 499 Mio. 562 Mio. 599 Mio. 584,8 Mio. 560,00 Mio. 570,00 Mio. 594 Mio.
über 600 Mio.
Schätzung
Alle Fakten deuten auf ein Ergebnis von deutlich über 600 Mio. hin
Planung 483,3 Mio. 485,6 Mio. 524,2 Mio. 571,6 Mio. 549,7 Mio. 490,8 Mio. 564,28 Mio. 571,8 Mio. 575,4 Mio. 584,8 Mio.
Differenz 8,7 13,4 37,8 27,4 35,1 69,2 5,72 22,2 Ca. 25 Mio.  


Man kann nur hoffen, dass die außerordentliche Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland in Hilden sich nicht auf ein Sparprogramm einlässt, das auf angeblichen Defiziten auf Grund von  völlig überholten Planzahlen basiert.

Schaut man sich den Haushalt der rheinischen Landeskirche einmal genauer an, fällt übrigens auf, dass er auf Grund der unsinnigen Doppelung von Abschreibungen und Substanzerhaltungspauschale bei Gebäuden unter Druck geraten ist (SEP schlägt mit 8,2 Mio., € AfA mit 5,2 Mio. € zu Buche, macht in der Summe 13,4 Mio. € und damit etwa 22% der gesamten Haushaltsmittel). Ließe man den Mittelentzug durch Abschreibungen fallen, wie es in der kommunalen Doppik üblich ist, würde sich das Defizit des landeskirchlichen Haushalts selbst auf der Grundlage der Planzahlen von 2013 auf 2,6 Mio. € reduzieren.

 

 

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