Zum Rücktritt eines Freiherrn

Von Hans-Jürgen Volk

Der Unterschied könnte nicht größer sein: vor gut einem Jahr trat die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann von ihren kirchlichen Ämtern zurück. Mit zu viel Alkohol im Blut war sie am Steuer ihres Dienstwagens in eine Polizeikontrolle geraten. Sie sagte damals, sie sei erschrocken über sich selbst, ihr Verhalten sei unentschuldbar. Keine Spur von Selbstrechtfertigung, ebenso wenig wie ein Heischen um Mitleid oder eine von Selbstmitleid geprägte Inszenierung der eigenen Person. Käßmann war und ist klar in ihrer Haltung, geprägt von strengen Maßstäben gegenüber der eigenen Person.
 
Ehrlichkeit und Anstand, eigenständiges Denken und Konsequenz – all jene Attribute, die den Freiherrn K.T. zu Guttenberg angeblich auszeichnen sollen, verkörpert jene Frau ganz authentisch. Der ehemalige Verteidigungsminister hat zuletzt mit seiner Rücktrittserklärung einmal mehr dokumentiert, dass er selbst kaum mehr als ein Plagiat darstellt. Seine Worte geben Zeugnis von einer peinlichen Selbstinszenierung, die einmal mehr von der bitteren Realität des eigenen Tuns ablenken sollte.
 
Im Gegensatz zu Käßmann steht Guttenberg nicht zu seinem Fehlverhalten. Seinen Rücktritt begründet er vielmehr mit angeblicher Fürsorge gegenüber den SoldatInnen der Bundeswehr: „Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.“ Dass Guttenberg durch sein eigenes Handeln zur Belastung für die Truppe wurde und dass aus diesem Grund eine ehrliche Entschuldigung mehr als angebracht gewesen wäre, kommt dem Freiherrn nicht in den Sinn. Noch bedenklicher ist der Umstand, dass er sich in Wahrheit hinter dem Rücken der Soldaten verschanzt, wenn er formuliert: „Wenn allerdings – wie in den letzten Wochen geschehen - die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung zu Lasten der mir Anvertrauten statt.“
 
Die Rücktrittserklärung ist insofern rhetorisch beeindruckend, als sie konsequent jede Art von konkretem Schuldeingeständnis und ehrlicher Reue meidet. Relativierend räumt Guttenberg immerhin ein, dass er wie jeder andere Mensch auch zu seinen Fehlern und Schwächen zu stehen habe. Dann betont er: „Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen.“ Dies sagt der selbe Mann, der nur wenige Tage vor dem Rücktritt die gegen ihn erhoben Plagiatsvorwürfe als „abstrus“ zurückgewiesen hatte und der danach immer nur Stückweise „Fehler“ bei der Erstellung der Doktorarbeit einräumte. Bis heute bestreitet er jeden Vorsatz einer bewussten Täuschung. Dem steht unter anderem das klare Urteil des Bayreuther Juraprofessors Lepsius entgegen, der feststellt: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen!“
 
Bedrückend ist die sich abzeichnende Tendenz bestimmter Kreise nach einem baldigen Comeback der „Lichtgestalt“. Ähnlich, wie noch Jahrzehnte nach seiner Abdankung am Ende des 1. Weltkriegs eine unbezähmbare Sehnsucht nach dem Kaiser Wilhelm II. in den Brüsten zahlreicher Deutscher wohnte, die trotz aller Untaten und seinem offenkundigem politischem Dilettantismus alles für seine erneute Inthronisation getan hätten, bricht sich erneut der Drang nach dem edlen starken Manne Bahn, der Glemmer und Glanz verkörpert. 

 

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