Presbyterial-synodale Ordnung in Gefahr!

Die Dominanz betriebswirtschaftlichen Denkens untergräbt unsere kirchliche Verfassung
Von Hans-Jürgen Volk

Die Evangelische Kirche im Rheinland bezieht immer wieder klar Stellung in wichtigen sozialethischen Fragen wie der Kinderarmut, setzt sich für Mindestlöhne ein und sieht die Auswirkungen der Hartz IV Gesetzgebung kritisch. Sie gibt der EDK-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann Rückendeckung, die wegen ihren kritischen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zum Teil bösartig angegriffen wurde. Sie äußert sich globalisierungskritisch und sucht bewusst den Schulterschluss mit der weltweiten Ökumene. Die Themen des konziliaren Prozesses für „Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung stehen wieder auf der Tagesordnung. Man freut sich darüber, einer solchen Landeskirche anzugehören. -

Wenn es da nicht das Binnenleben gäbe - Strukturmaßnahmen, die seit 2006 verstärkt auf den Weg gebracht worden sind und die so gar nicht zu dem Bild dieser Kirche zu passen scheinen, dass sie in der Öffentlichkeit abgibt. Der Bericht, den Vizepräsident Christian Drägert über „den Stand der Ausführung der Beschlüsse“ der außerordentlichen Landessynode von 2006 im Januar 2010 abgab, belegt einmal mehr, dass auch die Rheinische Kirche keineswegs frei vom neoliberalen Infekt ist. Im Gegenteil! Drägert will die Mutation der Rheinischen Kirche in einen Dienstleistungskonzern mit religiösen Angeboten weiter vorantreiben. Zugleich wird deutlich, wer in dieser Kirche entscheidend die Fäden zieht: Die Beratungsfirmen Steria Mummert Consulting und BSL  Managementberatung.

Beide Firmen waren maßgeblich beteiligt an der Umstrukturierung des Landeskirchenamtes, Steria machte organisatorische Vorgaben, BSL führte eine Neubewertung der Stellen durch, mit dem Ergebnis, dass langfristig ein Großteil der Stellen deutlich niedriger eingruppiert wird, als zuvor - teilweise um zwei Besoldungsgruppen. Auch mit der Verwaltungsstruktur der Ev. Kirche im Rheinland insgesamt setzte sich Steria auseinander und gab hierzu Empfehlungen ab, die verstärkte Konzentrationsprozesse und eine Standardisierung in den Abläufen zum Ziel haben. „Das Ziel kann nur die Aufgabe der Kleinteiligkeit und die Konzentration der Kräfte sein.“ - so Drägert im Blick auf die Zukunft der kirchlichen Verwaltung. Zudem sieht er die Notwendigkeit, in Zukunft noch stärker auf externe Beratung zurückgreifen zu müssen. (Der Beitrag von Drägert findet sich auf www.ekir.de .)

Ein genauer Blick auf die beiden benannten Firmen ist nicht nur lohnend, sondern zwingend notwendig, um zu erfahren, mit wem man es zu tun hat und welche ideologischen Hintergründe im Spiel sind. Ein Spezialgebiet von Steria Mummert Consulting ist die Finanzindustrie, insbesondere das Investmentbanking und die Beratung von Versicherungsunternehmen. Auf ihrer Kundenliste führt das Institut so illustre Namen wie die Deutsche Bank, die Commerzbank, AXA oder die Münchener Rück (www.steria-mummert.de). BSL Managementberatung hat sich dagegen auf den öffentlichen Sektor spezialisiert. Die Firma berät Länder, Kommunen und eben auch Kirchen Sie begleitet sogenannte PPP-Projekte (publik private partnership) und hat die Empfehlung zum Outsourcing im Standardprogramm, was faktisch einer Privatisierung ehemals öffentlicher Aufgaben gleichkommt. Ein Blick auf die Homepage von BSL ist aufschlussreich (www.bsl-mb.com). Im Newsletter 2009-1 wird die Geschichte des Hessischen Rechnungshofes als  Erfolgsgeschichte dargestellt. Der besteht nur noch aus einer Person, nämlich dem Direktor. Unter Begleitung von BSL kam diese Konstruktion zu Stande,
die dazu führt, dass die ursprünglich in hoheitlicher Verantwortung von einer staatlichen Behörde durchgeführte Prüfungstätigkeit nun von externen Firmen betrieben wird, u.a. mehrfach von BSL selbst. So kommt es nicht von ungefähr, dass BSL überwiegend von politischen Körperschaften in Anspruch genommen wird, die neoliberal-konservativ orientiert sind und einer „Verschlankung“ staatlicher Institutionen mit Sympathie gegenüberstehen. Dass darüberhinaus tatsächlich etliche Bistümer, Landeskirchen und Kirchenkreise zu den Kunden von BSL gehören, ist rational kaum erklärbar, unterstellt man den betroffenen Kirchenleitungen ein Mindestmaß an politischer und ökonomischer Bildung. Hier ist es noch nicht einmal ein mildernder Umstand, dass landauf, landab im öffentlichen Sektor ähnliche Mutationen zu beobachten sind, die letztlich einer Privatisierung weiter Teile der Daseinsvorsorge den Weg ebnen.

Es kann gar nicht anders sein, als dass Firmen wie Steria oder BSL eine Kirche wie ein Unternehmen beraten und ihr mit einer entsprechenden betriebswirtschaftlichen Engführung auf den Leib rücken. Sie sind nicht in der Lage, kirchliche Besonderheiten wahrzunehmen, sonst würden ihre Rezepte nicht überall ähnlich wirken, gleich, ob es sich um eine Bank, eine Landeskirche, eine Kommune oder einen Versicherungskonzern handelt. Sie beraten aus ihrer Sicht Unternehmen, die unterschiedliche Aufgaben und Ziele haben. Von daher kann sich eine solche Denkweise problemlos mit einem funktionalen
Kirchenbegriff verbinden, der sich auf CA VII oder vielleicht noch Barmen VI stützt, aber die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung konsequent ignoriert.

Kann Steria, BSL oder irgendeine andere Beratungsfirma mit der Forderung von Barmen III, dass die Kirche eben auch mit ihrer äußeren Gestalt Zeugnis von Jesus Christus und seiner Weisung abzugeben hat, auch nur in Ansätzen etwas anfangen? Ist es nicht vielmehr so, dass derartige Institute und bedauerlicher Weise eben auch etliche Menschen in kirchenleitender Verantwortung Fragen der Finanzen, der Verwaltung und der Struktur als rein pragmatische Fragen betrachten?

Die Streitfrage ist einfach gestellt: Ist die Kirche vorrangig ein Unternehmen oder ist die Kirche vorrangig Kirche?

Die stockende Einführung des Neuen kirchlichen Finanzwesens macht deutlich, wie schwer sich eine Kirche tut, plötzlich betriebswirtschaftliche Methoden als zentrale Elemente ihrer konzeptionellen und fiskalischen Orientierung zu übernehmen. Im übrigen ist auch hier zu beobachten, dass das NKF im kirchlichen Bereich sich nur marginal vom NKF (Neues kommunales Finanzwesen) des Landes Nordrhein-Westfalen unterscheidet, ähnliches gilt für die meisten anderen Bundesländer - so als sei der Umgang mit Finanzen ein theologiefreier Raum, als habe Geld und Glaube nichts miteinander zu tun.

Unsere Kirche wird, zumal an ihrer Spitze, im Wesentlichen von TheologInnen und JuristInnen geleitet. Betriebswirte und Unternehmer sind eindeutig in der Minderheit und eher ehrenamtlich tätig. Es handelt sich insgesamt um respektable Persönlichkeiten, die nachweislich eine Kirche leiten können - aber eben keinen Konzern. Dies ist für sie fremdes Gelände. So erklärt sich zum Teil die Verkrampfung bei der Umsetzung von Methoden, die ihren Ursprung in externer Beratung und in der neoliberalen Umgestaltung des öffentlichen Sektors haben.

Betrachtet man eine Kirche vorrangig als Unternehmen, so ist bereits von daher die presbyterialsynodale Ordnung in Gefahr. Denn eine betriebswirtschaftliche Denkweise wird immer auf klare Entscheidungsstrukturen drängen und sich damit in Widerspruch setzen zu den Effizienzverlusten einer demokratisch-partizipatorischen Ordnung.

Da unsere Kirche eben nicht überwiegend von betriebswirtschaftlich kompetenten, unternehmerischen Persönlichkeiten geleitet wird - das hat sie übrigens gemein mit den meisten Kommunen und Landesregierungen - wird externe Beratung struktureller Teil des Unternehmens Kirche. An diesen Abhängigkeiten haben natürlich Beratungsunternehmen ein gesteigertes Interesse.

Das ist die eigentliche Gefahr für die presbyterial-synodale Ordnung. Sieht man erst einmal in der Betriebswirtschaft das Fundament für eine zukunftsfeste Kirche, so werden die externen Experten mit ihren Vorschlägen durchdringen, weil ihnen auf Synoden und in Kirchenleitungen auf ihrem ureigensten Feld kaum jemand erfolgreich Widerstand entgegensetzen kann. Das heißt aber, dass kirchenleitendes Handeln in zunehmendem Maße faktische auf externe Berater übergeht.

Drägert selbst ist Kronzeuge für diese Gefahr, wenn er sagt: „Das presbyterial-synodale System soll und wird nicht infrage gestellt. Jedoch müssen wir innerhalb dieses Systems weitere Anpassungen vollziehen, damit die Evangelische Kirche mit ihren Arbeitsfeldern zukunftsfähig bleibt.“ „Können wir bei diesen Anpassungsprozessen auf die Freiwilligkeit und Einsicht aller vertrauen?“ „In zentralen Fragen einer Einschränkung der eigenen Autonomie und der Teilung von Entscheidungskompetenzen mit anderen bin ich sehr skeptisch.“

Aus theologischen und sozialethischen Gründen ist Widerstand geboten. Denn die Ev. Kirche im Rheinland ist auf dem besten Weg, sich mit ihrer strukturellen Umorientierung einer neoliberalen Ideologie preiszugeben, die im Widerspruch zu ihren eigenen sozialethischen Äußerungen und zu ihren
Grundartikeln steht.

Der Kampf für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung muss auch nach innen geführt werden. Da geht es um erhebliche Veränderungen, denen im Moment noch konsistoriale Relikte und neoliberales Denken im Wege stehen. Ziel ist die biblisch-theologisch fundierte Reform der Kirche hin zu einer solidarischen Kirche, die erst so glaubhaft und wirksam nach außen Kirche für die Anderen sein kann.

 

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